0915 - Macht des Schicksals
leuchteten wie zwei rote, düstere Augen…
***
Suko hielt den Atem an. Er konnte sich vorstellen, daß der Abbé auf der anderen Seite der pechschwarzen Wand das gleiche tat. So wartete jeder darauf, daß der andere reagierte, was nicht eintrat, denn ein anderer hatte die Regie übernommen.
Der Spuk meldete sich.
Es war eine Stimme, aber es war doch keine. Sie hörten sie mit den Ohren und zugleich im Kopf, wo jedes seiner Worte nachklang.
»Ich habe lange gewartet, aber jetzt ist der Zeitpunkt günstig. Jetzt kann ich es schaffen, mein Reich mit einer neuen Seele zu füllen. Ich will sie haben, ich muß sie haben.«
Suko hatte sich als erster gefangen, und er sprach gegen die schwarze, wallende Wand an. »Was willst du mit unseren Seelen, verdammt? Warum willst du sie so plötzlich holen?«
»Nicht eure Seelen. Ihr seid nur die Mittler gewesen. Die Führer zu einem bestimmten Punkt, den ich erreichen will. Ich brauche sie, und ich habe den Würfel gewählt, um euch klarzumachen, daß ihr aus diesem Fall aussteigen sollt.«
»Nein, wir sind…«
»Ich weiß, daß ihr euch Sorgen macht. Ihr habt es auch richtig angefangen und diesen Platz gewählt, an dem vor langer Zeit durch Menschenhand experimentiert wurde. Hier hat jemand gehaust, der den Himmel und die Hölle versucht hat. Einer, der sich zwischen dem Licht und der Dunkelheit entscheiden mußte, der aber die Dunkelheit gewählt hat, um an das Licht heranzukommen.«
»St.Clair?«
»Ja, Suko, der Mystiker und Magier St.Clair, der den Lockungen des Satans verfiel und dafür seine Seele verkaufte, die lange gefangen oder verschwunden war, aber jetzt aus ihrer Verbannung hervorgetreten ist, und darauf habe ich gewartet.«
»Dann willst du sie haben?«
In den Augenlöchern schimmerte es für einen Moment auf. »Ich werde sie holen.«
»Warum? Sie kann dir egal sein…«
»Nein, sie ist eine besondere Seele und sie wird noch zu etwas Besonderem, wenn ich sie dem Teufel entreißen kann. Das alles ist von mir beschlossen worden. Das hat hier in der Kapelle seinen Anfang genommen, denn hier fing der Mensch St.Clair damit an, Kontakt zum Teufel aufzunehmen, was ihm auch gelungen ist.«
Suko nickte. »Es ist gut. Du bist der Stärkere, und du hast gewonnen. Außerdem hast du die älteren Rechte. Wir sind nur Spielbälle, was wir selbst haben erkennen müssen, als du aus dem Würfel des Heils gestiegen bist und nicht aus dem des Unheils. Ich weiß nicht, wie du es geschafft hast, zwischen den Würfeln zu wechseln, aber ich nehme es hin.«
Aus der Wolke erklang so etwas wie ein Lachen. »Die Rätsel der Welt sind für die meisten Menschen unbegreiflich. Sie werden sie niemals lösen können. Wie groß müssen erst die Rätsel sein, die sich außerhalb von Raum und Zeit verbergen. Es gibt zwei Würfel, die gleich aussehen, aber trotzdem unterschiedlich sind. Einen behalte ich, weil die Waffe für einen Menschen zu stark ist, aber ich sage euch auch, daß ich den zweiten Würfel ebenfalls unter Kontrolle habe, und daß meine Macht stärker ist als die Kraft des Würfels…«
Es waren seine letzten Worte. Er brauchte es nicht extra zu sagen, denn Suko und der Abbé schauten von verschiedenen Seiten zu, wie das rote Licht in den Augen allmählich verschwand. Es verblaßte intervallweise, die Dichte zog sich zurück, zuletzt war nur mehr ein Schimmern zu sehen, was schließlich von der absoluten Schwärze verschluckt wurde.
Es blieb die Wolke, aber auch die nur für einen Moment, denn von innen her zog sie sich zusammen, als befände sich im Zentrum ein starker Magnet, der alles zu sich heranriß, was sich an den Rändern aufhielt. Er holte es, er verkleinerte die Wolke, und er zentrierte sie auf einen Punkt, so groß wie das Auge eines Scheinwerfers, nur eben rabenschwarz, und auch das war bald nicht mehr zu sehen.
Die Schwärze war weg.
Es gab den Spuk nicht mehr.
Suko und der Abbé waren wieder allein. Wie geistesabwesend schaute Suko gegen die Oberfläche, zwinkerte und hob die Schultern.
»Jetzt habe ich alles begriffen!« flüsterte der Abbé, wobei er mit einer müden Bewegung über seine Stirn strich, dann nickte und sich noch einmal selbst bestätigte, daß er es begriffen hatte.
»Es war nicht leicht«, gab Suko zu.
»Und was ist mit dem Würfel?«
Der Inspektor lächelte. »Hier, nimm ihn. Schau ihn dir an. Er gehört dir ja.«
»Wirklich?«
»Ja.«
»Ich zweifle mittlerweile. Ich hätte nie gedacht, daß ihn eine fremde Kraft manipulieren
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