0915 - Macht des Schicksals
wichtigen Entscheidung zu stehen. Zwischen dem Vergehen des Tages und dem Einbruch der Dämmerung, also zwischen Tag und Traum, galten zwar dieselben physikalischen Gesetze, aber aus den anderen Dimensionen schob sich etwas hervor, das nicht zu sehen und nur zu fühlen war.
Zeiten mischten sich. Der Abbé malte sich ein Bild. Die Gegenwart lag links von ihm, die Vergangenheit auf der rechten Seite, und genau dazwischen befand sich der Würfel des Heils als Mittler und Beschleuniger.
Der Templer war davon überzeugt, den richtigen Zeitpunkt gewählt zu haben. Er wußte, daß es keinen besseren gab, und er merkte auch, daß ihn der Würfel nicht im Stich ließ, daß er den Kontakt zwischen ihm und dem Besitzer herstellte.
Die Oberfläche des Würfels war wie immer dunkel, die Farben Rot und Violett schienen zu zerfließen. Noch hielten sich die weißen Schlieren zurück, sie waren die Mittler zwischen dem Abbé und dem Würfel. Sie transportierten das Wissen, und sie öffneten dem Besitzer den Zugang zu anderen Welten und Zeiten.
Der Abbé wartete. Er konnte jetzt nur noch hoffen und sich konzentrieren, aber er sah es als einen ersten Erfolg an, als sich die Schlieren plötzlich in der dunklen Farbe zeigten. Woher sie gekommen waren, wußte er nicht. Für ihn war der Würfel zwar in seinen Ausmaßen begrenzt, doch sein Inhalt schien unbegrenzt zu sein und von einer Weite, die mathematisch und physikalisch nicht zu erfassen war.
Manchmal hatte sich der Templer gewünscht, selbst der Würfel zu sein, um direkt in die anderen Welten schauen zu können, wo die Begriffe Raum und Zeit ihren Sinn verloren hatten und andere, für Menschen nicht faßbare Gesetze herrschten.
Die Schlieren zuckten, sie wollten dem Abbé eine Botschaft übermitteln.
Es war wie immer, und trotzdem konnte er sich damit nicht zufrieden geben.
Die Schlieren zeigten sich ungewöhnlich zart; was sie umgab, war deutlich stärker.
Bloch wunderte sich.
Etwas stimmte nicht, das wußte er genau. Eine derartige Wandlung oder Veränderung hatte er noch nie beim Betrachten des Würfels erlebt, auch wenn er sich in diese tiefe Konzentration hatte hineingleiten lassen.
Er faßte das Geschehen kurz zusammen und kam zu dem Entschluß, daß die Schlieren einfach nicht so durchkamen, wie er es von ihnen gewohnt war.
Diesmal war die Umgebung stärker. Und sie zeigte es auch durch die Veränderung der Farbe. Dieser dunkelrote und ins Lila hineinkriechende Farbton zog sich allmählich zurück, weil ein anderer viel stärker war und ihn überdeckte.
Bloch schüttelte den Kopf, weil er es kaum glauben konnte, aber er schaute weiterhin nach, und der viereckige Gegenstand lag auf seinen Händen wie festgeleimt.
Suko war das Kopfschütteln ebenfalls aufgefallen. Beim erstenmal hatte er noch darüber hinweggesehen und es für eine reflexhafte Reaktion gehalten.
Das aber änderte sich, als der Abbé mehrmals den Kopf schüttelte, und diese Reaktion entsprechende Fragen bei Suko aufkommen ließ. Auch wenn es nicht gut war, den Templer in seiner Konzentration zu stören, wollte der Inspektor doch mehr wissen. Er hatte schon zu einer Frage angesetzt, aber der Abbé kam ihm zuvor.
»Suko, es stimmt was nicht.«
»Was ist denn?«
Bloch hob die Schultern. Er behielt sein Flüstern bei. »Ich, ich kann es dir nicht genau sagen, aber die Reaktion ist eine andere als sonst.«
»Siehst du die Schlieren?« Suko beugte sich bereits nach vorn, um aufzustehen.
»Das schon…«
»Aber was…?«
»Sie sind zu schwach«, sagte Bloch leise. »Sie sind sogar sehr schwach, und ich glaube kaum, daß man sie noch als Energieträger bezeichnen kann.«
»Das ist doch…«
»Schau es dir an!«
Suko hielt nichts mehr an seinem Platz. Er schnellte hoch und überwand mit wenigen langen Schritten die trennende Distanz zum Anführer der Templer, der nicht mehr auf den Würfel schaute, sondern Suko anblickte. Das Gesicht des Abbés gefiel dem Inspektor gar nicht. Bloch wirkte plötzlich hilflos wie ein kleines Kind. Sein Mund zuckte, dann hob er die Schultern und sogar die Hände, auf denen der Würfel lag. Sie zitterten ziemlich stark. »Sieh es dir an, Suko! Sieh es dir an!«
»Ja, okay.«
Sekunden später erschrak der Inspektor bis ins Mark. Der Würfel hatte sich in seinem Innern tatsächlich verändert. Er war längst nicht mehr violett, sondern von einer tiefen, schon furchteinflößenden Schwärze, wie sie dichter selbst im All nicht sein konnte. Da drang kein einziger
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