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0915 - Murcons Vermächtnis

Titel: 0915 - Murcons Vermächtnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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schließlich den Trakt erreichten, der unmittelbar an der Peripherie des Gasthauses lag und von niemand beansprucht wurde. Hier war es ruhig. Die Freidenker kamen zügig voran, und der Tolle Vollei malte sich aus, wie er während der nächsten Stunde oder so den Gastwirt in seine Gewalt bringen und ihn kurze Zeit später dem Anführer Rudnof präsentieren würde.
    Darüber, daß der Rückmarsch mindestens ebenso gefährlich sein würde wie der Herweg, machte sich der Tolle Vollei vorerst noch keine Gedanken.
     
    *
     
    Als der Loower ihn nicht mehr sehen konnte, entwickelte der humpelnde Tantha eine Behendigkeit, die ihm so rasch niemand zugetraut hätte. Die Schritte, deren Schwingungen Tantha empfunden hatte, waren noch wenigstens eine halbe Wegstunde entfernt. Er war auch nicht wirklich sicher, ob er wirklich die Schwingungen wahrgenommen hatte oder ob er eine Art sechsten Sinnes besaß, der ihn vor drohender Gefahr warnte. Er wußte auf jeden Fall, daß dort vorne etwas war. Und so, wie die Dinge in Murcons Burg in diesen Stunden lagen, konnte es sich nur um einen Trupp handeln, der darauf aus war, den Gastwirt zu fassen.
    Tantha drang etwa zwei Kilometer weit vor, bis er die Schritte der Nahenden wirklich zu hören bekam.
    Gleichzeitig sah er einen verwaschenen Lichtfleck im Hintergrund des finsteren Korridors. Er eilte weiter, bis er einen Seitengang erreichte. In diesem verbarg er sich.
    Es dauerte nicht lange, da wurde es draußen im Hauptgang hell. Tantha hörte Stimmen, - und an einigen Worten, die er verstand, erkannte er, daß er es mit einem Trupp der Freidenker zu tun hatte. Die Freidenker waren ein Verein, von dem der Humpelnde noch nie viel gehalten hatte. Ihre Lebensweise war ihm zu ungebunden. Er hatte etwas gegen Leute, die die guten alten Sitten mißachteten.
    Die Freidenker marschierten an der Mündung des Seitengangs vorbei. Sie trugen Lampen, aber niemand machte sich die Mühe, zu Tantha hereinzuschauen. Noch ehe der letzte Freidenker vorbei war, stand der Humpelnde bereits an der Gangmündung. Der Nachzügler des Trupps entging ihm nicht. Es war ein Mann in mittleren Jahren, der das übliche, hellgraue Gewand der Freidenker trug. Er war so entsetzt, als er Tantha plötzlich vor sich sah, daß er keinen Laut hervorbrachte. Der Humpelnde zog ihn mit sich in den Seitengang hinein. Dann spähte er eine Zeitlang hinter den Freidenkern her, bis er gewiß war, daß sie ihren Verlust vorläufig nicht bemerken würden. Die ganze Zeit über entließ er den Gefangenen nicht aus seinem Würgegriff.
    Schließlich wandte er sich an den Freidenker.
    „Wer bist du?" fragte er barsch. „Wie lautet dein Name?"
    „Ich ... ich nenne mich... der Lüsterne Onkei", antwortete der Gefangene stotternd.
    Tantha musterte ihn mit verächtlichem Blick.
    „Eure Frauen haben einen miserablen Geschmack, wenn du mit deinem Namen bei den Freidenkern nicht ausgelacht wirst", sagte er. „Ihr seid hinter dem Gastwirt her?"
    „Ja", bekannte der Lüsterne Onkei zitternd.
    „Gut. Du brauchst dir um den Gastwirt keine Gedanken mehr zu machen. Während deine Brüder und Schwestern sich der Gefahr aussetzen, wirst du ein wenig ausruhen."
    Er hatte seinen Griff noch immer am Hals des Freidenkers. Ein rascher, kräftiger Druck auf eine Stelle, die nur der humpelnde Tantha kannte - und der Lüsterne Onkei ging seufzend zu Boden. Er war bewußtlos und würde vor drei oder vier Stunden nicht wieder zu sich kommen.
    Tantha sah den Bewußtlosen eine Zeitlang an. Dabei ging eine merkwürdige Veränderung mit ihm vor sich. Sein Gesicht nahm die typisch blasse Farbe eines Freidenkers an. Dann arrangierte er seine Kleidung, und bald hatte sie dasselbe Aussehen wie das Gewand, das die Freidenker trugen. Es war ein nahezu magischer Vorgang, der sich so rasch und unbeschwert abspielte, als sei es für den Humpelnden eine alltägliche Sache, sich in jemand anderen zu verwanddeln.
    Er trat auf den Korridor hinaus und nahm die Verfolgung der Freidenker auf.
     
    *
     
    Der Tolle Vollei hatte einen Späher vorausgeschickt, der ihm berichtete, daß sich vorab ein hell erleuchteter Platz befinde. Am Rand des Platzes, so meldete der Späher, sitze ein fremdartiges Wesen, desgleichen man im Gasthaus noch nie zuvor zu sehen bekommen hatte.
    „Das muß der Gastwirt sein", entschied der Tolle Vollei. „Man hat mir gesagt, daß er anders aussieht als ein Zaphoore."
    Er wollte sofort aufbrechen lassen. Da aber schob sich durch den Kreis der Umstehenden

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