0917 - Das Totenfest
gut.«
»Ich weiß nicht, ob das für Sie so gut ist, denn als Polizist habe ich doch einige Fragen.«
»Bitte.«
»Sie haben die Kerzen hergestellt, und ich frage mich, für wen Sie es getan haben?«
Lee Hammer senkte den Kopf und lächelte. »Wenn ich Ihnen die Wahrheit sage, bin ich gespannt, ob Sie mir glauben werden. Ich werde es tun. Diese Kerzen sind für ein Totenfest bestimmt. Ein sehr großes Fest, eine wunderbare Feier…«
»Für wen?«
Hammer hob den Kopf wieder an. »Kennen Sie einen Ghoul?« fragte er plötzlich.
Natürlich kannte Suko diese Leichenfresser, aber er hatte sich genügend in der Gewalt, um so zu tun, als wäre ihm dieser Ausdruck unbekannt. »Ghoul…?« murmelte er.
»Ja, richtig.«
»Sorry, aber…«
»Nun ja, ich will Ihnen keinen Vorwurf machen«, erklärte Hammer generös. »Nicht jeder kann wissen, wer oder was ein Ghoul ist. Ich kann Ihnen einen anderen Begriff nennen, der zwar auch abstrakt für einen Polizeibeamten ist, aber nicht so sehr. Leichenfresser…« Hammer grinste und sprach sofort weiter. »Ein Ghoul ernährt sich von Toten, wenn Sie verstehen?«
Suko verstand es gut, sein Entsetzen zu zeigen. »Meinen Sie - von toten Menschen?«
»So ist es.«
Der Inspektor deutete auf die Kerzen. »Von Leichen…?«
»Sehr richtig.«
»Das kann ich nicht glauben. Das ist ja absolut unwahrscheinlich.«
»Der Ghoul liebt diese Kerzen. Ich habe sie hergestellt, damit sie einen würdigen Rahmen für sein Fest abgeben. Für das große Totenfest des Ghouls, für seine Feier.«
»Ach ja…« Suko überlegte fieberhaft. Alles hatte auf einen Ghoul hingedeutet, nun war ihm der endgültige Beweis geliefert worden, und er glaubte Hammer jedes Wort.
»Ist er hier?«
»Nein, er ist es nicht.«
»Wie sieht er aus?«
»Fast wie ein Mensch, aber er ist ein Übermensch.«
»Eine Bestie.«
»Ja, auch.«
»Ein Dämon!«
»Richtig!«
Suko gelang es, Staunen in seine Stimme zu legen. »Und für ihn haben Sie alles hergestellt. Die Kerzen - und meine Güte, woher bekamen Sie das Leichenfett?«
»Von ihm. Er hat sich die Toten geholt und mir einige Reste zurückgelassen. Der Bunker hat nicht nur während des Krieges immer wieder Menschen angezogen. Auch nachher ist er nicht in Vergessenheit geraten. Stadtstreicher haben dort ihre Nächte verbracht und so bekam der Ghoul Nahrung. Nur weiß das niemand. Alle Welt glaubt, daß der Bunker leer steht.«
»Dann wohnt der Ghoul dort?«
»Ja, und nein…«
»Wieso?«
»Er lebt in einer Welt, die für uns nicht sichtbar ist. In seiner Welt, in seinen Dimensionen, aber hin und wieder wird eine Brücke geschlagen. So kann jemand die Grenzen überwinden, wenn er will.«
Jetzt wußte Suko, wo sich sein Freund John Sinclair befand. Plötzlich drängte es ihn, diese Welt kennenzulernen, aber er mußte sich zusammenreißen und durfte keine Hektik zeigen.
Lee Hammer hatte erraten, was ihn quälte. »Sie möchten dorthin, nicht wahr? Ich habe Sie neugierig gemacht.«
»Ja, wenn ich ehrlich sein soll.«
»Sie haben heute Glück, Suko. Wir werden gehen, denn auch ich möchte das Totenfest erleben.«
Suko entging das hinterhältige Grinsen nicht. Dieser Mann hatte etwas vor, aber der Inspektor spielte nach wie vor den naiven Polizisten.
»Und das geht so einfach?«
»Ja.«
»Warum?«
»Sie müssen sich auf mich verlassen. Ich habe immerhin mitgeholfen, das Totenfest zu einem Erfolg werden zu lassen.«
»Verstehe«, sagte Suko. »War noch jemand dabei?«
»Vielleicht«, wich Lee Hammer aus, um sofort eine weitere Frage zu stellen. »Dieser Bunker liegt zwar etwas versteckt, aber er ist jetzt gefunden und geöffnet worden. Daß Sie hier sind, zeigt mir, daß auch die Polizei mit im Spiel ist.«
»Stimmt.«
»Deshalb meine Frage. Für uns beide muß alles optimal sein, Suko. Ich möchte nicht Ihren Kollegen in die Arme laufen, wenn ich dort erscheine.«
»Da brauchen Sie keine Angst zu haben. Die sind abgezogen worden. Ich verspreche es.«
»Darauf kann ich mich verlassen?«
»Ja, das können Sie.«
»Gut«, sagte Hammer, »dann können wir ja fahren. Sollen wir Ihren Wagen nehmen.«
»Ich habe nichts dagegen.«
***
Rhena hatte mir ein Versprechen gegeben, und ich ging davon aus, daß sie es auch einlösen würde.
Entweder sie oder dieser verfluchte alte Ghoul, für den das Totenfest zelebriert wurde.
Da ich als Gefangener in dieser nebligen, von Leichengeruch erfüllten Welt lag und praktisch wehrlos war, wie beide glaubten,
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