0918 - Höllen-Engel
gelagerte Fälle, da hat es viele Tote gegeben.«
»Ja, wir haben Glück gehabt.«
»Und Sie sind dabei?«
»Sicher.«
»Ihr Kollege Suko erklärte mir bereits, daß er den Mann nicht kennt, den Sie erschossen haben. Was ist mit Ihnen?«
»Ich kenne seinen Namen auch nicht.«
»Dann wird die Identifizierung schwierig.«
»Wieso?«
Der Captain warf mir einen längeren Blick zu. »Schauen Sie sich mal sein Gesicht an.« Damit ich es auch konnte, trat er zur Seite. Bevor ich einen Blick auf die Leiche warf, drückte ich noch Cheryl zurück, und sie blieb auch hinter meinem Rücken stehen.
Ich blickte nach unten, wo der Tote noch immer lag. Den Helm hatte man ihm abgenommen. Sein Gesicht lag praktisch frei vor mir, und ich mußte zugeben, daß es keinen angenehmen Eindruck bot.
Die Silberkugel hatte es stark erwischt.
Der Mann hatte blonde Haare. Sie fielen auf seinem Kopf ebenso auf wie das Blut.
»Trug er einen Ausweis bei sich?« fragte ich.
»Nein, nichts. Wäre auch nicht normal gewesen«, erklärte mir der Kollege.
»Haben Sie sonst etwas gefunden?«
»Ja, Sinclair, haben wir.« Der Captain gab einem Untergebenen einen Wink. Der Mann bückte sich und holte etwas aus einem geöffneten Koffer. Der Gegenstand steckte in einer Plastiktüte, um möglichst keine Spuren zu verwischen.
Da die Tüte durchsichtig war, konnten wir ihn alle erkennen, und auch Cheryl hatte hingeschaut.
Ihr Schrei erschreckte uns.
Nicht nur ich fuhr herum, und nicht nur ich sah ihre starre Haltung, wobei sie einen Arm vorgestreckt hatte und mit dem rechten Zeigefinger auf den Gegenstand in der Tüte wies.
»Das ist sie!« keuchte Cheryl. »Das ist sie!« Ihre Stimme schrillte, und sie wiederholte sich. »Das ist die Göttin, der Höllen-Engel!«
***
Wir waren überrascht und dementsprechend stumm. Der Captain kam mit den Worten überhaupt nicht zurecht. Suko und ich schon. Mein Freund reagierte schneller. Er sah, daß sich Cheryl kaum auf den Beinen halten konnte, und er stützte sie deshalb.
Die junge Frau atmete heftig. Ihre Augen waren verdreht. Schweiß bedeckte ihr Gesicht, in den Pupillen stand die Furcht wie festgestanzt. Ich nahm dem Kollegen die Tüte aus der Hand, ohne den Gegenstand allerdings hervorzuholen.
War sie das wirklich?
Ich drehte Cheryl mein Gesicht zu und wartete auf ihre Bestätigung. Sie nickte zweimal, dann flüsterte sie: »Es ist sie. Das ist die Göttin. Das ist der Höllen-Engel.«
Suko kam zu mir, damit er die Figur genau betrachten konnte. Durch die dünne Haut der Tüte fühlte ich, daß sie aus Stein bestand. Sie war allerdings perfekt modelliert, trotz der geringen Größe. Da stimmten die Proportionen einfach. Beim ersten Hinschauen fiel uns sofort die Kopfbedeckung auf.
Sie bestand aus einem gewaltigen Maul, aus dem die Zähne wie lange, krumme Stöcke hervorragten, wobei die äußeren bis rechts und links an die Augen heranreichten und die mittleren die Stirn bis zur Hälfte bedeckten. Auf der Kopfbedeckung befanden sich noch zwei kräftige Hörner, die nach verschiedenen Seiten ausgerichtet waren.
Wir sahen auch, daß die Göttin helle Haare hatte. Sie flossen an der rechten Gesichtshälfte nach unten, allerdings bestanden auch sie aus Stein.
Das Gesicht zeigte keinen brutalen Ausdruck. Es war glatt, es konnte einfach gefallen. Es sah jung aus, beinahe engelhaft, und ich konnte nachvollziehen, weshalb diese Person unter anderem als Engel bezeichnet wurde.
Der Körper war nicht nackt, sondern von einem panzerartigen Umhang bedeckt, der aussah wie ein starrer Mantel, der auch bei heftigsten Stürmen nicht bewegt werden konnte.
»Das also ist sie.«
Ich schaute Suko an. »Und was sollen wir davon halten?«
»Keine Ahnung. Aber ich gehe davon aus, daß der Typ die Figur nicht grundlos mit herumgeschleppt hat. Sie kann möglicherweise eine Verbindung zwischen ihm und dem echten Höllenengel gewesen sein.«
»Das ist möglich.«
»Auf jeden Fall sollten wir sie behalten und durchchecken.« Suko lächelte, denn ebenso wie ich wußte auch er, was damit gemeint war. Dem Captain war es nicht sehr recht, daß wir das Beweisstück entfernen wollten, aber er wußte auch, daß ich ihm in gewissen Situationen gegenüber weisungsbefugt war, und er hielt sich an die Regeln.
»Dann werden wir uns wohl um die Identifizierung kümmern müssen«, sagte er.
»Da haben Sie recht.«
»Okay, wir geben Ihnen dann Bescheid.« Er wies auf Cheryl Lupa. »Was ist mit dieser Lady?«
»Eine
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