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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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was die Prophezeiung vorausgesagt hat. Ich habe es mit eigenen Augen erlebt, Bruder Servatius. Ich habe gegen einen Slissak gekämpft, gleich in der Krypta. Und dieser Herr hier…«
    »Struttenkötter«, sagte Eusebius leise, als Benedikt ihm mit Gesten zu verstehen gab, dass er sich vorstellen sollte.
    »… hat es als Einziger gesehen. Da die Zeit drängte, beschlossen Rufus und ich, ihn kurzerhand mitzunehmen.«
    Bruder Servatius schluckte hörbar und wurde blass, während sich die restlichen zwei Mönche nur fragend anblickten. »Ist das wahr?«, hauchte er. »Nach all den Jahren?«
    »Ich wünschte, es wäre nicht so.« Benedikt nickte. »Wir alle wussten, dass dieser Tag kommen würde, irgendwann. Und wir haben diesen Schutzraum. Wir haben ihn .«
    Das letzte Wort hatte dem Alten gegolten, der noch immer auf der Pritsche in der Mitte des Raumes lag. Er war in ein schlichtes weißes Nachthemd gekleidet und war, das erkannte Eusebius bei näherem Hinsehen, nahezu so dünn wie ein Zweig. Wallendes weißes Haar umrahmte ein Gesicht, das eingefallen und ausdruckslos aussah und so blass wirkte, als hätte es seit Jahren kein Sonnenlicht mehr bekommen. Sein Mund stand ein wenig offen, was ihm unter anderen Umständen vielleicht einen leicht dümmlichen Ausdruck verliehen hätte, und seine Augen starrten stur geradeaus, als nähme er das, was um ihn herum geschah, gar nicht wahr. Vermutlich, dachte Eusebius, traf das auch zu.
    Wie alt der Mann wirklich war, konnte der Geologe nicht einmal schätzen. Er wusste nur, dass er noch nie einer Person begegnet war, die älter ausgesehen hatte als diese.
    »Was, glauben Sie, macht er?« Benedikt war herangetreten. Er blickte Eusebius auffordernd an und nickte in Richtung des Liegenden.
    »Ich weiß nicht. Meditieren vielleicht?« Struttenkötter hatte eher den Eindruck, der Alte befinde sich in einer Art Wachkoma und sei längst mehr tot als lebendig, aber das wollte er nicht in Worte kleiden, um seine rätselhaften Gastgeber nicht unnötig zu verärgern.
    Der junge Mönch lächelte. »Kommt fast hin. Er ist die Quelle für das da«, sagte er und deutete auf die leuchtende Kuppel aus Energie, den Schutzschirm. »Er hält ihn aufrecht, allein durch die immense Kraft seiner Gedanken - und diese Leistung ist es, die ihn dazu zwingt, sich aus dem wahren Leben zurückzuziehen. Um unsere Existenz zu schützen, musste er die seine aufgeben und zu einem Schlafenden werden. Einem lebenden Leichnam, wenn Sie so wollen.«
    Eusebius schüttelte den Kopf. »Schützen wovor? Sie reden die ganze Zeit von einer Gefahr. Meinen Sie dieses Fischwesen, diesen Slissak? Mit dem sind sie doch recht mühelos fertig geworden. Was ist es, dass Sie dazu bringt, sich hier unten hinter einer Wand aus Magie zu verstecken, abgeschieden wie in einem Atombunker?«
    Benedikt lachte leise, doch es klang traurig, nicht amüsiert. Der Blick seiner Augen ging dem Geologen plötzlich bis ins Mark. »Das Ende der Welt, Herr Struttenkötter. Nichts anderes als das.«
    ***
    Mainz, 1455! Zamorra konnte kaum fassen, wohin ihn die unfreiwillige Reise mit dem Fischwesen verschlagen hatte. Zehn Jahre später, und er wäre Andrew Millings begegnet, der an diesem historischen Ort gegen den Echsenvampir angetreten war. [2] Aber auch so blieb dieses Erlebnis mehr als nur beeindruckend.
    Der Meister des Übersinnlichen hatte Johannes Gensfleisch in dessen Haus begleitet, wo ihm der weinselige Drucker, nachdem er Zamorras Montur mehrere Male missbilligend in Augenschein genommen hatte, mit zeitgenössischer Kleidung versorgen wollte. Nun saßen die unterschiedlichen Männer am Tisch in Gensfleischs Stube und unterhielten sich im Schein eines knisternden Feuers, das der Bärtige im Kamin entzündet hatte. Ans Schlafen dachten sie beide nicht - Zamorra war viel zu aufgeregt und musste immer wieder an seine Reise in die Vergangenheit denken. Außerdem fragte er sich unentwegt, was Nicole wohl widerfahren war, die er im Château des Jahres 2009 zurückgelassen hatte, allein mit den unheimlichen Kreaturen.
    Gensfleisch erging sich ein weiteres Mal in seinem Selbstmitleid. »Wisst Ihr, Herr Zamorra, ich denke sogar schon darüber nach, mich nach Straßburg oder gar Eltville zurückzuziehen. An beiden Orten habe ich einige glücklichere Jahre verbracht, als in meiner Heimatstadt, in der sich die hohen Damen und Herren doch derzeit ohnehin nichts Schöneres vorstellen können, als sich über mich die Mäuler zu zerreißen.«
    »Wegen

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