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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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wie der Wahnsinn hinter der Stirn der Köchin zu wüten begann und sich ihres Verstandes bemächtigte, ihr wahres Wesen unter einer undurchdringlichen Decke aus Chaos und Panik begrub. Und sie sah die grauenvolle Veränderung, die plötzlich durch Claires Körper ging.
    Zunächst war es kaum mehr als ein Beben, das den gesamten Leib erzittern ließ. Danach bildeten sich erste Pusteln auf Claires Gesicht und den Händen, die sich noch immer an ihren Seiten krampfhaft an den Saum der weißen Schürze klammerten. Sie brachen auf und…
    NEIN! Nicole zwang sich, nicht wegzusehen. Sie musste dem einfach beiwohnen, auch wenn es sie bis in die Grundfesten ihres Wesens ekelte. Das war sie Claire schuldig.
    Claire, die sich vor ihren Augen - in eines der Fischwesen verwandelte!
    ***
    »Und wie er aussieht! Schaut euch nur mal diese Kleidung an.«
    Hände auf seinen Armen, seiner Hose, in seinem Haar. Forschend, tastend.
    »Als hätte er diesen Tulpenmontagsumzug besucht, von dem Aldebar immer erzählt.« Ein Kichern. »Oder waren es Nelken?«
    Zamorra atmete ein und spürte, wie die Lebensgeister zurückkehrten. Langsam und zögerlich öffnete er die Augen - und sah in eine andere schwarze Finsternis, aus der ihm glänzende Augen neugierig entgegenstarrten.
    »Jannik, er ist wach!«, rief jemand. Es klang überrascht.
    Der Professor blinzelte mehrmals, und allmählich schälten sich Formen aus dem Dunkel, während sich seine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnten. Fragend sah er sich um. Er lag rücklings auf dem harten Steinboden in einer Art Höhle, die von wenigen Fackeln, welche in eisernen Halterungen an den Wänden hingen, nur schwach erhellt wurde. Um ihn herum saßen, standen und knieten mehrere Gestalten - dem Aussehen und der Kleidung nach ähnelten sie denen, die ihn vor dem Angriff des Tentakelmonsters gerettet hatten. Er sah junge Burschen von vielleicht dreizehn, vierzehn Jahren, die in Lumpen gehüllt waren und vor Schmutz strotzten, doch in ihren Augen brannte ein Feuer, das sie weitaus älter wirken ließ. Hinter ihnen standen ältere Menschen aller Art und Couleur, Frauen mit langen Haaren und muskulöse Männer mit buschigen Bärten und deutlichen Narben im Gesicht und auf den Armen. Manche hielten sogar Säuglinge. Sie sahen abgemagert aus, allesamt. Und dennoch hatte Zamorra instinktiv das Gefühl, dass diese Personen keine Not litten. Dies hier stellte - so absurd der Gedanke auch sein mochte - ihre natürliche Umgebung dar. Wo immer dieses »Hier« auch sein mochte.
    »Wo bin ich?«, krächzte er und bemerkte erst jetzt, wie ausgetrocknet sein Mund war. Sofort eilte eine grauhaarige Frau herbei und hielt ihm eine Schale an die Lippen, in der eine klare Flüssigkeit schwamm. Wasser. Dankbar blickte Zamorra in das von tiefen Falten durchzogene Gesicht der Frau, öffnete den Mund und trank.
    »In der Redo-Kolonie«, antwortete ein junger Mann, den er wiederzuerkennen glaubte. War das nicht der Anführer der… Kinder?… gewesen, die ihm geholfen hatten? Wie hieß er noch? Jannik? »Unserem Zuhause. Von welcher Sippe stammst du? Wir wüssten nicht, dass es in diesem Bereich der Stadt noch eine andere Kolonie geben sollte.«
    Zamorra hob den Arm und wischte sich mit dem Hemdsärmel über das feuchte Kinn. Langsam richtete er sich auf. »Ich… bin nicht von hier.«
    »Sondern?«, drängte Jannik und stemmte die Hände in die Hüften. In seinen Augen blitzte es feindselig, während er den Meister des Übersinnlichen mit unverhohlener Skepsis musterte.
    »Kommt drauf an, wo hier überhaupt ist«, erwiderte Zamorra ungerührt. Und vor allem wann , fügte er in Gedanken hinzu. Je länger er sich in dieser ungewohnten Umgebung umsah und über die Welt nachdachte, die er draußen erlebt hatte, desto sicherer war er sich, in einer Art postapokalyptischen Zukunft gelandet zu sein. Nur was war geschehen, um die Welt, wie er sie gekannt hatte, so gravierend zu verändern? Wo kamen die Tentakelwesen und die Fischmenschen her, und was hatte all dies mit den Geschehnissen im Château Montagne zu tun, die ihn erst auf diese aberwitzige Reise gebracht hatten? Fragen über Fragen - und nun sollte er weitere beantworten?
    Als Jannik keine Anstalten machte, seine Bemerkung zu kommentieren, räusperte er sich und setzte erneut an. »Mein Name ist Zamorra, und ich… nun ja, ich glaube, ich gehöre nicht hierher. Ich wurde aus meinem Haus entführt und landete schließlich in der Stadt, in der ihr mich gefunden und mir

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