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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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dankenswerterweise zur Seite gestanden habt.« Das entsprach zwar nur bedingt der Wahrheit, musste für den Moment aber genügen, fand er. »Wie ich hierher gelangt bin und wo hier überhaupt ist, vermag ich nicht zu sagen. Ohnehin weiß ich sehr wenig über das, was geschehen ist. Und nehmt es mir nicht übel, aber bevor ich eure Fragen beantworten kann, möchte ich gerne ein paar Antworten auf meine eigenen bekommen.«
    Die Stille, die seinen Worten folgte, war nahezu greifbar. Alle Anwesenden starrten weiterhin auf ihn, und die Neugierde, welche Zamorra in ihren Gesichtern gelesen hatte, war blanker Überraschung gewichen.
    »Aus deinem Haus?« Jannik lachte spöttisch. »Was bist du, ein Slissak?«
    »Ob du es glaubst, oder nicht«, sagte der Professor ruhig, »ich weiß nicht einmal, was das ist.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Männer und Frauen sahen sich fragend an. Zamorra konnte ihnen an der Nase ablesen, woran sie dachten: Konnte es sein, dass ihr Besucher tatsächlich die Wahrheit sprach? Es schien eine Sensation sondergleichen zu sein.
    Einzig der Junge Jannik blieb standhaft. »Und das sollen wir dir glauben? Du läufst mutterseelenallein und am helllichten Tag durch die Mainzer Innenstadt, als wärst du lebensmüde, und behauptest allen Ernstes, noch nie einem Slissak begegnet zu sein?«
    Er hätte entgegnen können, dass er ohnehin nichts behauptete, was er nicht definieren konnte. Doch die Worte des Halbwüchsigen ließen ihn stocken. »Die Mainzer Innenstadt«, hatte Jannik gesagt. Sollte das zutreffen? War das da draußen wirklich Mainz, die Stadt Gutenbergs, die er vor wenigen Stunden - und wie vielen Jahren? - erst verlassen hatte?
    Zamorras Gedanken rasten. Es wäre denkbar, dass ihn das Fischwesen nur durch die Zeit, aber nicht an einen anderen Ort befördert hatte. Immerhin war das Eine, neutral betrachtet, so unglaublich wie das Andere.
    »Slissaks sind Monster«, sagte ein schwarzhaariger Mann mit dichtem Vollbart und trat einen Schritt auf Zamorra zu. »Wir nennen sie so wegen des zischenden Geräuschs, das sie beim Atmen erzeugen. Sie sind in der Lage, von einem Moment auf den anderen zu verschwinden. Allerdings wissen wir nicht, wohin sie dann gehen.«
    Aber ich , dachte Zamorra - froh darüber, einen ersten Zusammenhang gefunden zu haben. Freundlich blickte er den Mann an. »Sie reisen. Durch die Zeit. Ich bin mit einem Wesen, das auf diese Beschreibung passt, hergekommen, als es mich aus meinem Haus entführte. Auch dort sind sie ohne Vorwarnung aufgetaucht, einfach aus dem Nichts. Das war in Frankreich, im Jahr 2009. Bitte, wann ist heute?«
    »Ich fürchte, das ist die falsche Frage.« Die Stimme kam von weiter hinten, und sofort bildeten die Menschen eine Gasse. Nahezu ehrfürchtig traten sie zur Seite und machten einer Gestalt Platz, die, wie Zamorra nun erkannte, gerade in die seltsame Kammer trat, in der sie sich befanden.
    Es handelte sich um einen glatzköpfigen Mann. Er trug einen dicken Mantel, der an unzähligen Stellen geflickt worden war, und eine weite Hose, die von einer einfachen Kordel an seiner schmalen Hüfte gehalten wurde. Seine Hände waren sehnig und genauso dürr wie der Rest seines blassen Körpers, und er ging gebeugt, stützte sich auf einen krummen Stock. Zamorra konnte das Alter dieses Neuzugangs nicht einmal annähernd schätzen, glaubte aber, es mit dem Ältesten der ganzen Gruppe zu tun zu haben. Vielleicht erklärte das auch den sichtlichen Respekt, mit dem die anderen Anwesenden dem Mann begegneten.
    »Aldebar«, hörte er sie flüstern, während sich immer mehr der Anwesenden umdrehten und eine Gasse für den Alten bildeten. »Geht zur Seite, da kommt Aldebar.«
    Auch wenn die Gestalt und Montur des Greises keinerlei Anzeichen von Würde oder edler Abstammung andeutete, war offensichtlich, dass er in dieser Gesellschaft wie ein König behandelt wurde. Wenn nicht sogar wie eine noch bedeutsamere Wesenheit. Schließlich erreichte der Mann Zamorra, blieb vor ihm stehen und betrachtete den Professor mehrere Sekunden lang schweigend. Sein Blick und seine Miene ließen nicht erkennen, was er dachte oder wie er dem Besucher aus einer anderen Zeit gegenüber eingestellt war.
    »Man nennt mich Aldebar«, sagte der Alte endlich und deutete ein leichtes Nicken an. »Das ist nicht mein wirklicher Name, aber wirkliche Namen sind in diesen Tagen so bedeutungslos geworden, wie geschmolzener Schnee. Zumindest, wenn Sie mich fragen. Ich bin… nun, man könnte mich

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