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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Mensch und Tier gleichermaßen vertrieben.
    Denn auch nach Tieren hatte er bisher vergeblich Ausschau gehalten. Im Urwald hätte man zumindest mit Vogelgezwitscher und ähnlichen Lauten rechnen müssen - in einer Stadt vielleicht sogar nicht minder -, doch hier herrschte Totenstille. Das einzige Geräusch, das Zamorra hörte, war das, welches seine eigenen Schuhe auf dem aufgebrochenen und von Gras und anderen Grünpflanzen überwucherten Straßenpflaster erzeugten, über das er schritt.
    Der Himmel sah nicht minder absurd aus wie der Rest der Szenerie. Milchig trüb hing er über den Dächern, Büschen und Bäumen, und verbreitete ein gedämpftes Licht, das trotzdem es nicht allzu hell war, dennoch für eine nahezu tropische Wärme sorgte. Und dann waren da diese Schemen.
    Besser gesagt, handelte es sich um seltsame Luftgebilde, die Nebelschwaden gleich durch die Straßen zogen und stets mehrere Mannslängen über dem Erdboden blieben. Kleine Wolken, die vom trägen, wüstenwarmen Wind, der um die verlassenen Häuserecken strich und das Blattwerk der Pflanzen und Bäume leicht zittern ließ, durch die Stadt getrieben wurden. Wo sie herkamen und wie sie entstanden waren, konnte sich Zamorra nicht erklären.
    Aber damit passten sie zu dieser Welt, in der er so unfreiwillig gelandet war. Auch sie entzog sich all seinen Versuchen, ihr auf den Grund zu gehen. Mehrmals schon hatte er sich im Inneren eines der zugewachsenen Gebäude nach menschlichem Leben umgesehen und war ohne Erfolg wieder nach draußen zurückgekehrt, wo es nicht minder menschenleer war.
    Er passierte gerade eine mehrstöckige Filiale einer Elektromarktkette, die nun eher wie ein mit Farnen und diversen Schlingpflanzen überwucherter Berg aussah, als das Rascheln erklang. Rechts von ihm, wo das dichte Buschwerk den Eingang des Gebäudes bedeckte, ging ein Zittern durch das Grün, das viel zu stark war, um auf den Wind oder einen anderen, eher natürlichen Ursprung zurückführbar zu sein.
    Da war etwas, das spürte der Meister des Übersinnlichen instinktiv.
    Etwas Großes.
    Und es lauerte im Schutz der Blätter, wie ein Raubtier, das auf ein ahnungsloses Opfer wartete. Zamorra wich zurück und hob die Arme, als könne er sich damit vor dem Unbekannten wehren.
    Plötzlich brach etwas aus dem Buschwerk und schoss auf ihn zu! Mehrere dicke, ledrig glänzende Tentakel schlängelten sich aus dem Dickicht, strichen über Pflanzen und Autodächer, über Boden und Hauswände. Zamorra stockte der Atem.
    Die Gebilde waren etwa zwei Meter breit und wirkten seltsam feucht. Mit einem lauten Zischen peitschten sie durch die Luft und tasteten nach allem, was in ihrer Reichweite lag. Sie waren viele. Zu viele, als dass der Professor es mit ihnen hätte aufnehmen können.
    Zamorra nahm die Beine in die Hand, rannte wahllos nach rechts und versuchte, einem näher kommenden Tentakel im Schutz eines Hauseingangs auszuweichen. Als das unheimliche Gebilde an seinem Versteck vorbei gerast war, wagte er sich wieder vor, eilte weiter. Ein zweiter der Greifarme schoss auf ihn zu, und der Meister des Übersinnlichen ließ sich abrupt zu Boden fallen, um ihm zu entgehen. Die Hände auf das dichte Gras gestützt, beobachtete er, wie der zuckende Tentakel wenige Zentimeter über ihn hinwegfegte.
    Schnell richtete er sich wieder auf und setzte erneut zur Flucht an - da packte ihn etwas am Bein! Verzweifelt sah Zamorra, dass sich ein dünnerer Ableger des monströsen Ungetüms, das dort im Inneren des Elektromarktgebäudes zu lauern schien, um seinen rechten Knöchel geschlungen hatte und diesen eisern umklammerte. Er hob den linken Fuß, trat mehrfach gegen den Tentakel, doch der Griff des riesigen Wesens ließ nicht locker. Im Gegenteil: Im Nu eilten weitere Arme herbei, wickelten sich Tentakelauswüchse um seinen linken Arm, seinen Brustkorb. Zamorra schrie und schlug hilflos auf alles, was er noch erreichen konnte, doch das unbekannte Wesen war bei weitem zu schnell und zu stark, als dass er etwas gegen es hätte ausrichten können.
    Und die Tentakel zogen. Mit einem Ruck fühlte Zamorra, wie er in die Luft gehoben und von den Füßen gerissen wurde. Krampfhaft versuchte er, sich an Zweigen, Ästen und Lianen festzuhalten, während ihn die gnadenlosen Tentakel immer näher auf den im Dunklen liegenden Eingang des Gebäudes zu zogen, aus dem sie kamen. Und der Druck der Arme auf seinem Brustkorb ließ seinen Körper taub werden und raubte ihm die Luft zum Atmen.
    ***
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