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0919 - Bücher des Grauens

0919 - Bücher des Grauens

Titel: 0919 - Bücher des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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zehn Männer eilten durch das nahezu kniehohe Gras und vorbei an der umgestürzten Statue Gutenbergs, die Zamorra auch diesmal nicht genauer in Augenschein nehmen konnte. Eilten auf die Steintreppe zu. Kaum an den Türen des Gebäudes angekommen, griff Aldebar in eine Tasche seines Mantels und zog einen altmodisch aussehenden Schlüsselbund hervor, aus dem er mit geübtem Griff den passenden Schlüssel auswählte, ihn ins Schloss steckte und die aus dunklem Holz gefertigte Pforte öffnete.
    Dahinter war es noch finsterer. Drei der Männer huschten voraus und prüften, ob die Lage im Inneren des rechteckigen Kolosses sicher war. Dann folgten die anderen sieben. Zamorra trat in ein Foyer, von dem rechts und links breite Freitreppen in höhere Etagen führten, und nun verstand er, worum es sich bei diesem Gebäude handeln musste. »Ein Theater«, sagte er leise.
    Aldebar nickte. »Einstmals war dies das Staatstheater Mainz. Aber wir interessieren uns eher für das Restaurant, das auf seinem Dach errichtet wurde. Von dort haben Sie nämlich eine unvergleichliche Aussicht. Und bei dem, das ich Ihnen berichten möchte, werden Sie die brauchen.« Seine Worte erzeugten ein Echo in dem hohen Foyer, und die Männer sahen sich besorgt nach allen Seiten um, suchten nach unliebsamen Besuchern ihres Ausflugs. Nach Slissaks. Doch die Luft war und blieb rein.
    Aufwärts ging es, Treppe folgte auf Treppe. Die Natur, die draußen so ungezügelt gewütet hatte, war noch nicht in das Innere des einstigen Theaters vorgedrungen, doch Staub und Schmutz hatten ihren Teil dafür getan, auch diesen Ort des zukünftigen Mainz zu zeichnen. Unter den Sohlen von Zamorras Schuhen knirschte es, während er die Stufen hinauf schritt.
    Schließlich erreichten die zehn nächtlichen Wanderer ihren Bestimmungsort, sicher und ungehindert. Wie Aldebar angekündigt hatte, handelte es sich um ein altes Restaurant. Nahezu ehrfürchtig ließ der Meister des Übersinnlichen seinen Blick über die vom durch die unzähligen Glasscheiben und - wände fallenden Mondlicht beschienenen Tische und Stühle gleiten. Sie alle waren noch gedeckt, als warteten sie seit Generationen auf Gäste, die nie gekommen waren. Es war ein unheimlicher Gedanke, fand Zamorra, und er passte zu diesem Ort und seiner Atmosphäre.
    Die Männer positionierten sich geschult an den Eingängen des Lokals, und Aldebar deutete dem Professor, mit ihm nach vorne zu gehen, zur Fensterfront. Schweigend standen die beiden ungleichen Gefährten da und schauten durch die Scheiben hinaus über die Ruinen. Die Fenster des Domturmes zu ihrer Linken glitzerten hell und spiegelten den Mond und die Sterne.
    »Wie eine verlassene Welt«, sagte Zamorra leise. »Die Relikte der Menschheit sind allesamt noch da, nur die Menschen selbst…«
    Der Greis nickte, und Zamorra fragte sich nicht zum ersten Mal, wie alt sein Begleiter wohl wirklich sein mochte. »Es ist eine verlassene Welt. Die… Umstände haben uns schon vor Generationen dazu gezwungen, von der Oberfläche ins Innere der Erde zu fliehen. Zunächst verschanzten wir uns hinter Türen und Fensterläden, doch sie brachen sie auf. Dann eilten jene, die bis dahin überlebt hatten, weiter, in die Keller und Katakomben, deren Eingänge wir verriegelten oder gleich ganz zumauerten. Und als auch das nicht mehr genügte, als die Titanen und ihre Handlanger, die Slissaks, auch diese Barrieren überwanden und abermals in unsere Verstecke vordrangen, zogen wir weiter.«
    Er räusperte sich leise. Seine Stimme war rau geworden. »Seit Jahren schon hatten diejenigen, die schlau gewesen waren, gegraben und Höhlen erschaffen, in denen wir uns nun verbargen. Höhlen, die seitdem zunehmend ausgebaut wurden und nun unser wahres Zuhause darstellen. Denn die Welt, wie Sie sie kennen, Monsieur, gehört nicht länger uns. Sie gehört den Titanen. Den Wesen, mit denen Sie heute Nachmittag eine so unsanfte Begegnung machen mussten. Es grenzt an ein Wunder, dass Sie diese überlebten, denn dieses Glück hatten nur wenige. Die Welt ist nicht grundlos verlassen, wie Sie treffend bemerkten.«
    Zamorra schüttelte den Kopf, als könne dies das Entsetzen beseitigen, welches er bei Aldebars Worten empfand. »Aber wie kam es dazu? Wo kommen die Titanen her? Ich erinnere mich, dass die Slissaks plötzlich in meinem Haus standen - begann es also alles im Jahr 2009? Was war der Auslöser?«
    Ein Lächeln glitt über Aldebars Züge. »Es begann 2009, ja. Und 1930. Und 1870. 1658, 1597,

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