092 - Der Herr des Schreckens
suchte bei den Schwarzen Lamas Schutz vor den Schuppenbestien. Als sie über die Schulter zurück sah, waren die Biester mit den Skorpionschwänzen schon hinter ihr her. Sie konnten unheimlich schnell laufen.
Nicole hörte ein Quieken hinter sich, und dann sprang ihr ein schuppiger, stinkender Körper ins Genick. Krallen bohrten sich in ihr Fleisch, und scharfe Zähne zerrten an ihren Haaren.
Außer sich vor Grauen packte Nicole das Biest. Der Skorpionschwanz sauste durch die Luft, aber schon hatte Nicole die widerliche Bestie gegen einen scharfkantigen Stein geschmettert. Zuckend blieb sie liegen und verendete.
Nicole hatte die Fackelträger noch lange nicht erreicht. Das Mädchen stolperte und stürzte. Nicole war völlig erschöpft, ausgepumpt und halbtot vor Grauen. Aber die Todesangst trieb sie voran, sie raffte sich wieder auf und taumelte weiter.
Da hörte sie vor sich ein Pfeifen. Im nächsten Augenblick sah sie, daß anderthalb Dutzend der widerlichen Bestien ihr den Weg abgeschnitten hatten. Hinter ihr kamen mindestens dreißig. Die Fackelträger waren noch zu weit entfernt, um eingreifen zu können.
Es gab keine Rettung mehr für Nicole. An allen Gliedern zitternd, blieb das bildhübsche Mädchen stehen und sah fassungslos vor Grauen den rasch näher kommenden schuppigen Biestern mit den Skorpionschwänzen entgegen.
„Zum Teufel, da draußen ist die Hölle los“, rief Robert Arvois, als er den Aufruhr sah, der im Klosterhof tobte. „Chandar-Chan kümmert es nicht, ob Nicole am Leben bleibt oder von den Dämonen umgebracht wird. Ich werde dabei nicht tatenlos zusehen.“
„Der Zeitpunkt ist nicht geeignet, den Entscheidungskampf zu suchen“, sagte Professor Dulac. „Chandar-Chan hat seine dämonischen Geschöpfe mobilisiert. Wir haben diese, die Schwarzen Lamas und nicht zuletzt Chandar-Chan gegen uns, wenn wir jetzt etwas unternehmen.“
„Zum Teufel mit dem Zeitpunkt.“
Robert Arvois sprang durch die Flammenwand. Der Lönchen und Taschmosch stürzten sich auf ihn. Der kräftige, rothaarige junge Mann schmetterte Taschmosch mit einem Kinnhaken zu Boden.
Bewußtlos blieb der junge Schwarze Lama liegen. Der Lönchen griff an. Robert Arvois packte einen Schemel und schmetterte ihn auf den Kopf des Untoten. Es krachte, und die Schädeldecke des Lönchen zerbrach.
Aber er fiel nicht. Seine rechte Hand mit den schmalen, nervigen Fingern packte Arvois an der Schulter. Die Linke fand die Kehle. Arvois hieb dem Lönchen die Faust ins Gesicht, erzielte aber keine Wirkung.
Arvois taumelte durch das Arbeitszimmer Chandar-Chans, den Lönchen an der Kehle. Rote Nebel tanzten vor seinen Augen. Er stieß gegen ein Skelett mit Sense und Stundenglas.
Das Skelett fiel um, und Arvois kam halb darüber zu liegen. Er war schon fast bewußtlos. Über sich sah er das bleiche, höhnisch grinsende Gesicht des Lönchen.
Da bekam Roberts tastende Rechte die Sense zu fassen. Mit letzter Kraft führte er beidhändig einen Hieb mit dem scharfen Sensenblatt, der dem Lönchen den Kopf von den Schultern trennte. Der Kopf rollte über den mit dicken Teppichen bedeckten Boden.
Nun geschah etwas Gräßliches. Während der Kopf Verwünschungen in einer fremden Sprache hervorstieß, zerfiel der Körper des Lönchen mitsamt den Kleidern zu Staub. Dann bröckelte das modrige, von einer zähflüssigen Masse getränkte Fleisch des Lönchen vom Kopf ab.
Nur ein Totenschädel blieb, der immer noch einen höhnischen Ausdruck zu haben schien. Robert Arvois erhob sich. Er tastete nach seiner schmerzenden Kehle.
„Auf, auf!“ schrie er Dulac und d’Estienne durch die Flammen wand zu. „Wir können Nicole nicht im Stich lassen.“
Professor Dulac und der Kommissar kamen hustend durch die Flammenwand gestolpert. Dulac sah sich um.
„Auch wenn Sie die beiden Bewacher ausgeschaltet haben, Robert, wir können nichts ausrichten, jetzt nicht.“ Dulac schwang das Stöckchen. „Es gibt nur eine Möglichkeit, Nicole zu helfen.“
„Dann nutzen Sie sie, ehe es zu spät ist.“
Dulac eilte zu der anderen Fensternische. Er beugte sich aus dem Fenster, durch das zuvor schon Chandar-Chan seine Befehle und Anordnungen gebrüllt hatte.
„Chandar-Chan!“ schrie er aus Leibeskräften. „Chandar-Chan!“
Endlich wurde der Herr des Schreckens auf ihn aufmerksam. Er sah zum Fenster hoch. Der größte Teil der Gefangenen war schon wieder an der Mauer zusammengetrieben worden. Einige Unglückliche hatten ein grausiges Ende
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