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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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menschlich .
    Josi blieb der Mund offen stehen. Sprachlos geworden, blickte sie in zwei erstaunte Gesichter. Inmitten des üblichen kreativen Chaos, aus dem Gensfleischs Werkstatt bestand, stand der Drucker an seiner Presse. Er sah beschäftigt aus - und so, als habe man ihn bei etwas erwischt. Etwas Verbotenem.
    Doch noch seltsamer war der Anblick der Person neben ihm. Es handelte sich um einen gut aussehenden und ebenfalls recht edel gekleideten Mann von vielleicht vierzig Jahren. Kurzes Haar, graue Augen, schlanke und durchtrainierte Figur… Und er war gefesselt! Der Fremde saß auf einem Stuhl, hatte die Arme auf den Rücken gebunden, und wirkte hilflos.
    Er und Gensfleisch starrten sie an, als wäre sie geradewegs vom Mond gekommen.
    »Was…«, setzte sie an.
    Dann sah sie ihn . Und mit einem Mal rutschte ihr das Herz in die Hose, und ihre Knie wurden weich.
    Er stand in den Schatten, daher hatte sie ihn zunächst gar nicht wahrgenommen. Und er war die Gestalt von der Weinstube, ganz zweifellos. Jener seltsam verhüllte Geselle, den Heinrich und sie in jener nebligen Nacht gesehen hatten, als sie Gensfleisch gefolgt waren. Schon damals hatte sich Josephine in Gegenwart dieses mysteriösen Fremden seltsam unwohl gefühlt, so als reiche seine Anwesenheit schon aus, um einem Ort jegliche Wärme und jegliches Leben zu entziehen. Und nun stand er da in der Werkstatt, abermals in seine seltsame, weite Robe gewandet, die es unmöglich machte, sein Gesicht zu erkennen. Josephine verspürte das dringende Bedürfnis, fortzulaufen, konnte sich aber vor lauter Schreck nicht rühren.
    »Gensfleisch, Gensfleisch«, sagte der Verhüllte tadelnd. »Hatte ich nicht ausdrücklich darum gebeten, die Tür zu verriegeln? Mann, muss ich etwa alles selber machen? Ein wenig mehr Zuvorkommenheit wäre einem Mäzen gegenüber durchaus angemessen, findet Ihr nicht?«
    »V… Verzeihung, Herr«, stammelte der Drucker. Ein Blick in sein schreckgeweitetes Gesicht genügte, um Josi letzte Gewissheit zu geben: Sie war in etwas hereingeplatzt, dass sie nicht hätte sehen dürfen. Nur warum gehorchten ihr ihre Beine nicht mehr? Sie wollte weglaufen, sich umdrehen und verschwinden. Und doch konnte sie keinen Muskel bewegen. Wie angewurzelt stand sie da, perplex bis ins Mark.
    »Lasst sie gehen, Herr«, bat Gensfleisch leise, reumütig. »Sie hat nichts hiermit zu tun. Ich versichere Euch, dass sie…«
    Der Verhüllte hob die Hand. »So, wie Ihr mir auch versichert habt, dass wir ungestört bleiben?«, fragte er scharf.
    »So, wie Ihr mir versichert habt, voll und ganz hinter meinem Auftrag zu stehen? Meister Gensfleisch, Ihr enttäuscht mich. Höre ich da etwa Zweifel in Eurer Stimme? Sorge gar? Ich dachte, Euch kümmere die Bevölkerung dieser Stadt nicht weiter.«
    »Herr«, bat der Drucker, legte die Stirn in Falten. »Ich gebe zu, dass die Menzer mir gegenüber in letzter Zeit überheblich waren und nicht gerade zu meinen Freunden zählen. Aber ich bitte Euch, tut deswegen einem jungen Mädchen nichts an.«
    »Ts, ts«, machte der Verhüllte und schüttelte langsam den Kopf unter der Kapuze. Das Geräusch allein genügte, um Josi alle Haare auf den Armen zu Berge stehen zu lassen. »Aber Gensfleisch, was denkt Ihr von mir? Antun, ich? Niemals.«
    Der Drucker entspannte sich sichtlich, doch sein rätselhafter »Herr«, war noch nicht fertig. »Aber Ihr müsst zugeben, dass sie Dinge gesehen hat, die nicht für sie bestimmt waren. Ihr seid Geschäftsmann, Meister Gensfleisch. Da versteht Ihr sicherlich, dass ich meine Interessen schützen muss, oder?«
    Josi verstand gar nichts mehr. Mit einem Mal hatte sich eine seltsame Ruhe in ihrem Geist ausgebreitet, eine Art Taubheit, die sie sich zwar nicht erklären konnte, die sie aber gerne willkommen hieß. Alles war besser, als der Schrecken, den ihr dieser Anblick bereitete.
    Sie sah, wie der Verhüllte den Arm hob und auf sie richtete. Dann kam die Panik zurück, stärker als zuvor. In dem Schatten, in dem sich sein Gesicht verbergen musste, glühten plötzlich zwei Punkte, rot und hell wie die Feuer der Hölle. Großer Gott, sind das etwa seine Augen??
    Josephine Becker verlor sich in diesen unwirklich leuchtenden Punkten. Wie hypnotisiert starrte sie sie an, ganz und gar hörig dem, was sie da sah. Und sie bemerkte kaum noch, wie zuerst ihre Kleidung, dann ihr eigener Leib nach und nach zu Nebel wurde.
    ***
    »Nein!«
    Professor Zamorra riss und zerrte an seinen Fesseln, bäumte sich in ihnen

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