Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
kein Freund.
    Josephine erstarrte. Reglos hockte sie vor dem offenen Kamin, das Brandzeug in der erhobenen Hand, und wagte es nicht, sich zu rühren oder anderswie bemerkbar zu machen. Vielleicht ging es wieder. Vielleicht sah es sie da unten gar nicht und wandte sich anderen Zimmern zu. Bitte, bitte, bitte!
    Doch ihr Flehen blieb unerhört. Mit einem lauten Satz war das Monstrum herbei, kam eine halbe Armlänge hinter ihr zu stehen und beugte sich mit einem triumphalen Hissen zu Josephine hinunter.
    Als sie sich umdrehte, um den mysteriösen Angreifer in Augenschein zu nehmen, schrie sie um ihr Leben.
    Der Slissak öffnete das lippenlose Maul, grinste siegessicher. Spitze Zähne blitzten metallisch auf, und die klauenbewehrten Hände schossen vor, griffen in Josis Haar und auf ihre Kleidung. Stoff riss, als das Ungeheuer sie packte und auf die Beine zerrte.
    »Nein!! Zu Hilfe!« Die junge Frau hob die Hände. Verzweifelt schlug sie auf die schuppigen Arme ein, wand sich unter dem harten Griff des Wesens. Sie trat um sich, traf auch ein ums andere Mal, doch der Slissak ließ nicht locker. Mit einer Kraft, die seiner eher schmächtigen Gestalt Hohn sprach, stemmte er Josephine in die Höhe, holte Schwung und schleuderte sein wehrloses Opfer mit voller Wucht gegen eine Zimmerwand. Der Aufprall war hart, trieb ihr die Luft aus den Lungenflügeln und ließ sie Sterne sehen. Orientierungslos vor Schmerz, sank sie zu Boden und blieb keuchend auf den Dielen liegen.
    Sofort setzte das grausame Wesen nach. Abermals sprang es vor, kam breitbeinig über ihr auf und streckte erneut seine kalten, todbringenden Hände nach ihr aus. Josie saß in der Falle. Mit dem Rücken zur Wand und dem Slissak direkt über sich, war ihr jeglicher Fluchtweg abgeschnitten. Nicht, dass sie der Kraft und Energie dieses Monstrums etwas entgegenzusetzen gehabt hätte, das ihr eine Flucht überhaupt ermöglicht hätte. Sie schrie, wimmerte, und ließ einen wahren Regen an Schlägen auf das Fischwesen niederfahren, doch ihre Treffer zeitigten keinerlei Wirkung. Im Gegenteil schienen sie die Motivation der Kreatur noch zu verstärken. Sie war ein Sport für ihn, schoss es ihr mit entsetzlicher Klarheit durch den Kopf. Eine gelungene Abwechslung. Für diese Abnormität galt ein Menschenleben nichts, und ihres würde nun enden. Hier. Niedergemetzelt in einer fremden Hölle, von einem Lebewesen, das sie nicht verstand.
    Heinrich…
    Josephine schloss die Augen, als sich die Klauenfinger des Slissaks um ihren Hals legten, begann zu beten. Und die Klauen drückten zu.
    ***
    »Zurück!«
    Die Stimme war schneidend, hart. Duldete weder Widerspruch noch Ausflüchte. »Zurück habe ich gesagt, du tumbes Stück fleischgewordener Widernatürlichkeit. Ist das etwa das Verhalten eines Edelmannes? Wenn du auf Streit aus bist, dann lege dich gefälligst mit einem Gegner an, der dir gewachsen ist. Ich stehe gleich hier, siehst du?«
    Der Griff der Klauen lockerte sich. Josephine öffnete die Augen, und die Kreatur ließ von ihr ab, drehte sich um und dem Sprecher entgegen, den die junge Frau nicht ausmachen konnte. Sofort rollte sie sich zur Seite, hustend, spuckend und keuchend. Rote Punkte tanzten in ihrem Sichtfeld. Ihr Hals brannte wie Feuer und ihr Brustkorb fühlte sich an, als habe er jeglichen Sauerstoff verloren, der in ihm gespeichert war. Hätten die Hände der Winzertochter nicht unkontrolliert gezittert, sie hätte auch noch versucht, sich damit Atemluft in den Rachen zu stopfen.
    Irgendetwas rauschte, zischte durch die Luft, und mit einem Mal lag ein Geruch im Zimmer, den sie kannte. Mühsam nach Fassung ringend, ging Josephine in die Hocke, um einen Blick in den Raum zu werfen - und was sie sah, ließ ihr den Mund erneut offen stehen.
    Mitten im Zimmer spielte sich ein Kampf ab, wie er ungleicher nicht hätte sein können. Rechts stand das entsetzliche Fischwesen, die Krallen erhoben und das Maul mit den rasiermesserscharf aussehenden Beißern weit geöffnet. Links jedoch stand… ein Mann. Er war vielleicht fünfundvierzig Jahre alt und wirkte durchtrainiert, sofern man das unter der seltsamen Kleidung, die er trug, überhaupt ausmachen konnte. Sein Haar war gepflegt, mit einer Art Schmiere sorgfältig an den Kopf gelegt und an den Schläfen grau meliert. Sein Kinn wirkte sorgfältiger rasiert, als Josi es je bei einem männlichen Menschen jenseits des Stimmbruchs gesehen hatte. Stramme Beine steckten in einer dunklen, edel wirkenden Hose, und über

Weitere Kostenlose Bücher