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0920 - Welt der Stille

0920 - Welt der Stille

Titel: 0920 - Welt der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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und dieses Vieh…?
    Der Fischmann trat ein, und der Finstere schloss die Tür wieder. Sofort preschte Heinrich los, lief über die Gasse und kniete sich vor das Fenster. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er durch die schmutzige Scheibe. Was er sah, ließ ihm beinahe das Blut gefrieren. Ein gefesselter Mann saß auf einem Stuhl in der Mitte des Raumes und blickte sich um, als suche er verzweifelt nach etwas, womit er sich befreien konnte. Währenddessen standen Gensfleisch, der Verhüllte und der Fischmann an der Presse und schienen in irgendeine Arbeit vertieft zu sein. Der Drucker sah schlecht aus. Blass und das käsig wirkende Gesicht mit einem dünnen Schweißfilm bedeckt, ging er seiner Profession nach, aber er wirkte dabei seltsam fahrig. Wie ein Schlafwandler, der nicht selbst die Kontrolle über seine Handlungen hatte.
    Der Anblick und der kalte Nachtwind jagten Heinrich einen Schauer nach dem anderen über den Rücken. Er hatte keine Ahnung, was genau da drinnen vor sich ging, aber es konnte nichts Rechtes sein. Soviel stand fest. Wer mit solchen… Gestalten im Bunde war, durfte sich nicht länger Christenkind nennen. Ohne die Augen von seinem Arbeitgeber zu nehmen, tastete Heinrich in seiner Hosentasche nach dem Messer, das er immer bei sich führte.
    Schaut Euch an, Meister. Er seufzte leise. Was habt Ihr getan? Gott, worauf habt Ihr Euch nur eingelassen?
    ***
    Minuten dehnten sich zu Ewigkeiten, und hinter der schmutzigen Scheibe gingen die… Männer? Monster?… ihrem undurchschaubaren Tun nach. Hatten sie etwas mit Josis Verschwinden zu tun? Heinrich schauderte bei dem Gedanken, und doch musste er es herausfinden, und wenn es das Letzte war, das er tat. Er brauchte Gewissheit; so viel war er ihr einfach schuldig.
    Die Chance kam zu plötzlich, als dass Heinrich auf sie hätte hinplanen können. Er musste impulsiv handeln - und das war gut. Hätte er Zeit zum Überlegen gehabt, wäre er vermutlich nicht halb so mutig gewesen.
    Gensfleisch und der Verhüllte schienen in eine Meinungsverschiedenheit geraten zu sein. Zwar konnte Heinrich kein Wort dessen verstehen, was im Inneren der Werkstatt gesprochen wurde, doch sah er an den Gesten und der Körperhaltung der Personen, dass die Stimmung gekippt war. Außerdem wurden sie lauter. Dem Anschein nach regte sich der Finstere über den Drucker auf. Gensfleisch war mittlerweile weiß wie eine Wand und schweißüberströmt, wirkte nahezu fiebrig.
    Heinrich sah den fahrigen Blick seiner glasig gewordenen Augen und das Zittern in seinen großen Handwerkerhänden. Die dichten und angegrauten Haare klebten ihm auf der Stirn. Und schließlich…
    Mit einem wutentbrannten Aufheulen machte der Verhüllte auf dem Absatz kehrt, wandte sich von dem Drucker ab und trat zur Tür. Schnell huschte Heinrich wieder auf die andere Straßenseite, in die Deckung der Kirche.
    Keine Sekunde zu spät. Die Tür der Werkstatt öffnete sich, und der rätselhafte Fremde trat heraus. In den Schatten, die sein Gesicht verbargen, leuchtete es rot, zornig. Er zeterte. »… bevor ich mich noch vergesse, und Euch auf eine Reise schicke, von der Ihr nicht mehr zurückkehrt, Henne(Historisch verbürgter Spitzname Gutenbergs, dialektal eingefärbte Kurzform von Johannes.).«
    Es klang frustriert, als müsse er sich beherrschen, um nicht überzureagieren. Mit einem lauten Rumms fiel die Tür ins Schloss. Der Verhüllte wandte sich nach rechts und verschwand, leise vor sich hin fluchend, im Gewirr der nächtlichen Gassen.
    Einer weniger… Sobald er außer Sicht war, schlich sich Heinrich zurück auf seine Beobachterposition am Fenster. Dann konnte er sein Glück kaum fassen: Nach dem Dunklen waren auch Gensfleisch und das Fischwesen gerade im Begriff, die Werkstatt zu verlassen. Heini sah, wie sie im hinteren Bereich des Raumes durch den Durchgang verschwanden, der ins Lager führte.
    Das kann dauern , wusste der Lehrling. Bei der Unordnung, die Gensfleisch da drinnen pflegt, braucht es immer Minuten, bis man etwas gefunden hat. Selbst der Meister kommt da nicht mehr zurecht.
    Ohne nachzudenken eilte der junge Mann zum Eingang, öffnete die seit dem Weggang des Verhüllten unverriegelte Tür und trat ein.
    »Wer seid Ihr?«, fragte der Gefesselte leise, der noch immer wehrlos auf seinem Stuhl saß. Heinrich sah, dass die Stricke ihn schon tief ins Fleisch schnitten, so sehr musste er an ihnen gezerrt und gezogen haben. »Schnell, helft mir, bevor sie wiederkommen!«
    Sofort griff Heinrich in

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