0923 - Panik im Hyperraum
Dämmerzustand erwachen und handeln. Um dich ist das Chaos. Alles geht in Trümmer. Du mußt aufstehen und ordnend eingreifen."
Lautloses Lippenbewegen war alles, was sie ihm entlockte.
„Wie du die Ordnung wiederherstellen kannst, Boyt? Du hast das Amulett, Boyt. Du bist der Totemträger.
Geh hin zu meinen Leuten und laß sie das Totem sehen. Dann wird wieder Ruhe in sie zurückkehren. Ich weiß es aus Erfahrung. Immer wenn mein unseliger Trieb die Oberhand gewann, suchte ich deine Nähe und schaute auf das Totem. Das rettete mich davor, ebenso wie meine Artgenossen zu entarten. Das Totem ist der Schlüssel zur Ordnung."
Ein leichter Schauer durchlief seinen Körper. Gota begann zu hoffen. Wieder bewegten sich die sinnlichen Lippen in dem nach wie vor ausdruckslosen Kindergesicht des bald Hundertjährigen.
„Das Auge ...",murmelte er.
„Nur das Totem ist wichtig. Das Auge zählt nicht", sagte Gota eindringlich.
„Doch", erwiderte Boyt Margor. Er zog den Blick langsam aus den unergründlichen Fernen zurück, in die er seit Tagen gestarrt hatte. „Ohne das Auge sind wir verloren. Was spielt es da noch für eine Rolle, auf welche Weise wir umkommen?"
Gota war froh, ihn wenigstens zum Sprechen gebracht zu haben. Das war schon ein großer Fortschritt, und sie begann wieder zu hoffen.
„Du wirst einen Ausweg finden, Boyt", sagte sie und strich ihm zärtlich über das wirre Haar. „Aber zu= erst schaffe Ordnung. Greife mit starker Hand durch und zeige deinen Paratendern, wer ihr Herr ist. Sie entgleiten immer mehr deiner Kontrolle, Boyt. Auch die anderen von Deck fünf. Ihr Benehmen gefällt mir nicht."
„Das Auge", sagte Boyt wieder. „Ich erinnere mich, und diese Erinnerung schmerzt. Obwohl mich diese Erinnerung quält, möchte ich sie nicht missen. Sie ist ein schönes Andenken und eine Mahnung zugleich."
Es schien, daß er loswerden wollte, was sich in den letzten Tagen in ihm aufgestaut hatte. Deshalb schwieg Gota, um seinen Redefluß nicht zum Stillstand zu bringen.
„Ich hatte die Macht, Gota", fuhr er leise fort. „Mir lag eine ganze Galaxis zu Füßen. Die Zeit war reif für einen Eroberer wie mich. Ich hätte von hier aus mittels des Auges in jedes beliebige Sonnensystem gelangen und es erobern können. Aber dann kam ein kleines Mädchen und nahm mir dieses Auge weg. Und auf einmal stand ich vor dem Nichts. Ich bin ein Opfer meiner eigenen Umtriebe, gefangen in dem Versteck im Hyperraum, das als Basis für meine Eroberungsfeldzüge gedacht war. Ich war am Höhepunkt angelangt, jetzt bin ich am absoluten Nullpunkt."
„Wach auf, Boyt!"
„Ich bin wach. Alles vorher war nur ein Traum. Ein kleines Mädchen hat mich aus diesem Traum von unumschränkter Macht gerissen."
„Boyt!" Gota packte ihn plötzlich an den schmalen Schultern und begann ihn heftig zu schütteln.
Gota überkam maßlose Wut. Ihre Emotionen schlugen urplötzlich um. Aus Mitgefühl und Anteilnahme wurde Haß. Hatte sie ihn anfangs nur wachrütteln wollen, so war es nun ihr Bestreben, diesen Schwächling zu zerbrechen.
Sie hatte mit den Händen seine dünnen Oberarme umfaßt und drückte sie, während sie ihn vehement schüttelte, immer fester zusammen. Gleichzeitig stand sie mitsamt dem Objekt ihres Hasses auf und hob es hoch, um es in ihrer Verachtung von sich zu schleudern.
Da rutschte etwas aus Margors Halsausschnitt und geriet in Gotas Blickfeld. Es war ein unbehauener, grober Brocken, den Margor an einem Halsreif trug.
Bei seinem Anblick versteifte sich Gota. Sie hielt mitten in der Bewegung inne und ließ Margor dann langsam und vorsichtig zurück auf die Liege sinken. Dabei starrte sie unentwegt auf den scheinbar unbehandelten Erzklumpen. Dabei war ihr, als winke ihr aus seiner unergründlichen Tiefe ein verschmitzt lächelnder Gnom zu. Und diese Geste im Zusammenwirken mit anderen unerklärlichen Einflüssen erweckte die PSI-Affinität zu Boyt Margor.
„Entschuldige, Boyt", sagte Gota und sank an seinem Lager nieder. „Ich habe mich gehenlassen. Aber das Totem hat seine Wirkung auf mich nicht verfehlt. Es wird auch die anderen in deinem Sinn beeinflussen."
„Was soll’s, Gota", sagte er. Und er dachte: Warum hat sie nicht ihrem Aggressionstrieb freien Lauf gelassen und mit mir Schluß gemacht? Ich wäre ihr dankbar gewesen. Wozu sollte ich noch leben wollen? Ohne das Auge gibt es kein Entrinnen aus dieser Hyperklause.
Er hätte ihr das erklären können, und sie hätte es sicher verstanden. Aber es war
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