0923 - Panik im Hyperraum
wie ich dieses regulative Kleidungsstück nenne, kann er jedoch keinen Schaden anrichten."
„Das ist grausam", sagte Baya erbost.
„Halb so wild", meinte Milestone. „Puko trägt den Tempereg nur während der Aggressionsphase. Etwa eine Stunde am Tag. Wenn er sich ordentlich abreagiert hat und lamm fromm ist, dann kann er ihn ablegen."
„Es ist trotzdem barbarisch."
Allan Milestone lachte sie nur aus und sperrte sie zu Puko in die Zelle. Es brach ihr schier das Herz, als sie den Jungen in der beengenden Zwangsjacke toben sah, und es wurde für sie alles nur noch schlimmer, weil sie ihm nicht helfen konnte.
Nachdem sich Puko gut eine Viertelstunde abreagiert hatte und dann völlig apathisch wurde, kam ein Paratender und nahm ihm den Tempereg ab. Dabei erklärte er Baya, daß in dem seltsamen Kleidungsstück ein Dynamo eingebaut war, der während Pukos Tobsuchtsanfällen in Gang gebracht wurde und Energiespeicher auflud.
„Jetzt können wir Deck eins für vierundzwanzig Stunden mit Strom versorgen", sagte der Paratender abschließend.
Er ging, und Baya und der apathische Tempester-Junge blieben allein zurück.
*
Baya verlor in der Zelle jeglichen Zeitbegriff. Sie wußte nur, daß jedesmal ein Tag vergangen war, wenn Puko in den Tempereg gesteckt wurde. Dreimal wiederholte sich diese barbarische Tortur, und in diesen drei Tagen lernte Baya den halbjährigen Tempester besser kennen.
Anfangs hatte Puko nur einen geringen Wortschatz, so daß kein vernünftiges Gespräch zustande kam. Aber Puko lernte verblüffend schnell. Baya brauchte ihm etwas nur einmal zu sagen, und er merkte es sich sofort. Worte, die sie gebrauchte, nahm er sofort in seinen Sprachschatz auf. Einmal erarbeitetes Wissen vergaß er nicht wieder.
Dies überraschte Baya einigermaßen, denn bei älteren Tempestern hatte sie das Phänomen der gesteigerten Lernfähigkeit nicht beobachten können. Daraus schloß sie, daß die Lernfähigkeit ab einem bestimmten Alter wieder nachließ. Der eineinhalbjährige Jako, mit dem Baya früher Bekanntschaft geschlossen hatte, war längst nicht so aufnahmefähig gewesen.
Pukos Wissensbegierde kam Baya für ihre Pläne sehr zustatten. Sie beschloß von Anfang an, ihn durch gezielte Dosierung von Informationen in ihrem Sinn zu formen und sein Denken in die von ihr gewünschten Bahnen zu lenken.
Dabei kam ihr der Umstand zugute, daß Puko schon vor längerer Zeit von seiner Heimatwelt Jota-Tempesto in diese Klause im Hyperraum gebracht worden war.
Er glaubte immer noch an die Macht der „Tanzenden Jungfrau", die bis vor kurzem von den Tempestern vergöttert worden war. Puko wußte nicht, daß der „Totemträger" Boyt Margor den Tempel der Göttin zerstört und sich durch diese Machtdemonstration zum allgewaltigen Herrscher über die abergläubischen Menschen von Jota-Tempesto aufgeschwungen hatte.
Puko hatte, wie alle Tempester, die Tanzende Jungfrau noch nie gesehen, so daß Baya keine Mühe hatte, ihm einzureden: „Ich bin die Tanzende Jungfrau mit dem dritten Auge."
Puko fragte nur: „Und wo hast du dein drittes Auge?"
„Allan Milestone hat es mir entwendet."
Puko versprach: „Ich werde es für dich zurückerobern, Baya."
„Wenn dir das gelingt, dann verspreche ich dir, dich nach Jota-Tempesto heimzuführen und dir die Freiheit wiederzugeben."
Puko war daraufhin ganz verklärt. Nur während der Aggressionsphase, in der er den Tempereg trug, vergaß er die Schwüre, daß er sein Leben fortan nur noch ihr widmen wolle.
Milestone kam nie selbst, um Puko den Temperament-Regulator anzulegen, sondern schickte immer einen anderen Paratender.
„Was ist mit dem verrückten Wissenschaftler?" fragte Baya bei einer dieser Gelegenheiten. „Hat er endlich das Auge an Boyt zurückgegeben?"
Der Paratender zeigte ein leicht verlegenes Lächeln.
„Boyt ist so weit fort, daß wir keine Verbindung mehr zu ihm haben. Ich kenne ihn kaum mehr und-ich fühle nichts für ihn. Schließlich ist sich jeder selbst der Nächste."
Da wurde Baya klar, daß Boyt durch die Isolation immer mehr die Kontrolle über die Paratender in den anderen Klausen verlor. Früher wäre es undenkbar gewesen, daß ein Paratender auf diese respektlose Art über ihn sprach.
Baya wertete dies als Pluspunkt für den Fall, daß es ihr doch noch gelingen sollte, die Paratender aus den Klausen nach Terra zu bringen. Diese Entfremdung würde den Psychologen die Arbeit zweifellos erleichtern, wenn sie darangingen, die Paratender
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