0925 - Blutzoll
Besitz. Ich ging davon aus, daß er es sich zurück holen wollte, aber nicht ohne seine Klinge.
Er huschte zur Tür.
Ich hatte das Buch bereits zu Boden fallen lassen. Blitzschnell schlug ich es auf. Die Seiten waren trocken, in der Mitte durch das Messer zerfetzt, doch darum kümmerte ich mich nicht, denn ich hielt bereits mein kleines Feuerzeug in der Hand.
Ein kleiner Gegenstand, der alles verändern konnte.
Die Flamme schlug in die Höhe. Ich hatte einige Seiten angehoben und hielt sie ins Feuer.
»John, er ist zurück!«
Genau in der Sekunde, als Suko mir die Warnung zuschrie, fing das Papier Feuer. Die Flamme war schnell und gierig. Sie fraß sich blitzartig weiter. Plötzlich standen die ersten Seiten in Flammen, und bald wurden auch die anderen vom Feuer erfaßt. Noch lag das Buch wie ein Tablett auf meinen Händen. Im nächsten Augenblick schleuderte ich es in die Höhe.
Wie ein Fanal stieg es an die Decke. Es setzte ein loderndes Zeichen, das sich zwischen den Schatten und mich stellte.
Ich hatte alles versucht. Mehr konnte ich nicht tun. Jetzt mußte sich zeigen, ob mein Plan aufging…
***
Das Buch brannte!
Endlich brannte es, und der leichte Wind fächerte das Buch noch auf. Auch wenn es jetzt von einem Wasserguß getroffen würde, zu retten wäre es nicht mehr gewesen.
Das Totenbuch wurde zu einem Raub der Flammen, und der Schatten mußte dies miterleben. Er hatte voll und ganz darauf gesetzt. Auch wenn es paradox klingt, es war so etwas wie die Seele des Schattens gewesen, und sie wurde nun ausgelöscht.
Zugleich mit ihm.
Denn wir schauten zu und mußten erkennen, daß auch ein Schatten brennen konnte. Er war von keinem Feuer erfaßt worden, er leuchtete nur innerlich auf. Er fing plötzlich an zu glänzen, und seine intensive Dunkelheit verschwand.
Nein, es war kein Verbrennen, es war ein Schmelzen.
Er schmolz zusammen, wurde zu einem Klumpen, aber er löste sich während dieses Vorgangs auf.
Es gab ihn nicht mehr.
Es gab nur das Messer, das wie zum Hohn nach unten fiel und auf den flammenden und schon aschigen Resten des Totenbuchs landete.
Wir schauten zu und ließen es liegen.
Wir waren stumm.
Shao hatte Sukos Hand gefaßt. Die Erleichterung war beiden anzusehen, und auch ich fühlte mich wie neugeboren, weil dieser verfluchte Fall für uns glimpflich abgelaufen war.
Für Eric Canetti allerdings nicht.
Offiziell war er schon einmal gestorben. Zwar hatte er noch existiert, aber er hatte sich irrsinnig quälen müssen. Vielleicht war es sogar für ihn eine Erlösung gewesen. Wir jedenfalls wünschten es dem bewegungslosen Mann, der auf dem Rücken in seinem eigenen Blut lag.
Im Endeffekt war er durch sich selbst getötet worden. Denn sein Schatten hatte ihm die Klinge in den Rücken gerammt, und auch wir hatten ihm nicht helfen können.
Leider.
Shao und Suko verließen als erste den Raum. Ich hörte sie sprechen, und Shao sagte: »So etwas möchte ich nicht noch einmal erleben, Suko, so etwas nicht…«
Der Inspektor nickte nur…
ENDE des Zweiteilers
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