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0927 - Nacht über GALAHAD

0927 - Nacht über GALAHAD

Titel: 0927 - Nacht über GALAHAD Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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habe sie seit Jahren niemand mehr betreten und die auch nur über rudimentäre ästhetische Ansprüche verfügte. Müll, Schrott, Gerümpel… An den unverputzten Seitenwänden der sie umgebenden Gebäude türmte sich dem Anschein nach der Unrat ganzer Generationen. Zwei leere Wäscheleinen führten von einer Seite zur anderen, etwa zwei Meter über dem staubigen Erdboden, und hingen in der Mitte so sehr durch, dass Sarah sie hochheben musste, um ungehindert passieren zu können. Wer ausgerechnet an diesem Ort seine Wäsche aufhängen wollte, war ihr ein Rätsel.
    Sarah hielt an und zog den Stadtplan aus der Gesäßtasche. Keine vier Meter vor ihr mündete die kurze Gasse in die Sylvester Road, stellte sie mit einem gezielten Blick auf die Karte fest. So schlecht schlug sie sich also gar nicht - gleich hinter der Sylvester fing die City an, na bitte. Sie hatte den Plan gerade wieder zusammengefaltet, da…
    »Verzeihung?«
    Vor lauter Überraschung zuckte sie zusammen. Ein Mann von vielleicht fünfundvierzig Jahren bog um die Ecke und hielt zielstrebig auf sie zu. Er trug eine dunkle Jeansjacke, einen braunen Pullover und eine Nietenhose. Sein mit grauen Strähnen durchzogenes Haar wirkte so gepflegt wie sein sorgfältig gestutzter Vollbart.
    »Ich wollte Sie nicht erschrecken«, sagte er freundlich und hob die Hände leicht, als wolle er mit dieser Geste suggerieren, dass er nichts im Schilde führte. »Wissen Sie zufällig, wie ich zur Tennant Road komme?«
    Wenn es eine Sache gab, auf die Sarah immer schon stolz gewesen war, dann war es ihre Menschenkenntnis. Nicht selten hatte sie instinktiv gewusst, wie sie auf ihre jeweiligen Gegenüber zu reagieren hatte. Und in diesem Fall klingelten sämtliche Alarmglocken in ihrem Geist. Irgendetwas an diesem Typen kam ihr komisch vor, wenngleich sie dafür keinen Grund hätte nennen können. Bauchgefühl.
    »Ich glaube, die ist gleich da hinten«, sagte sie lapidar und deutete über ihre Schulter. »Immer geradeaus.«
    Der Bärtige blinzelte verwirrt. »Wie, jetzt? Sie meinen diese Richtung?«
    »Ja, doch«, bestätigte sie leicht gereizt. »Nur die paar Schritte, bis…«
    Bei diesen Worten drehte sie sich um, wollte zur Tennant zurückblicken - und prallte fast gegen den Schrank, der auf einmal hinter ihr stand! Es war ein Bär von einem Mann, grobschlächtig und mit mehr Muskelmasse bepackt, als andere Leute Haare am Körper trugen. Lächelnd blickte er auf sie hinab, doch in seinen Augen lag ein Funkeln, das ihr eiskalte Schauer über den Rücken jagte.
    »Hallo«, sagte der Titan schlicht. Dann - in einer einzigen, ruckartigen Bewegung - hob er die Arme, schlang den linken um Sarahs Hüfte und presste ihr die rechte Hand grob auf den Mund.
    »Mmmmhh!!«, protestierte sie, wand sich in seinem Griff und hämmerte mit den Fäusten gegen seinen Brustkorb. Was geschah hier? Wie hatte sich dieser Koloss unbemerkt an sie anschleichen können? »Mmmmhhh!!«
    Der Schrank drehte sie herum, zerrte sie näher zu sich und pinnte sie mit dem Ellenbogen gegen seinen Körper, während seine Linke nunmehr ihre Handgelenke ergriff und wie ein Schraubstock zusammen zwang. Er stank nach Schweiß und… war das Öl?
    Blut rauschte in ihren Ohren. Ihre Nasenflügel hoben und senkten sich mit jedem panischen Atemzug. Und mit hämischem Grinsen kam der Bärtige näher.
    ***
    »Wenn ich's Ihnen doch sage, Inspektor: Ich…«
    » Chief Inspector«, unterbrach der Glatzköpfige ihn. Er klang genervt.
    »… Chief Inspector, ich habe es genau gesehen. Sie wurde vor meinen Augen entführt und in einen dunklen Van gezerrt. Auf helllichter Straße.«
    »Und das war gerade eben, Mister…« Der Polizeibeamte blickte auf, um seinen Namen von dem Block abzulesen, auf dem er ihn sich notiert hatte. »… Llandsgryf?«
    »So ähnlich«, murmelte Gryf. Dann sagte er: »Ist keine zehn Minuten her. Wenn wir uns beeilen, können wir ihnen vielleicht noch mit Straßensperren und einer umfassenden Suche auf die Pelle rücken.«
    Chief Inspector Cedric Daniels hob den rechten Arm und deutete auf seine Armbanduhr. »Vierundzwanzig Stunden. So lange muss eine Person als vermisst gelten, bevor wir einschreiten können. Tut mir leid.«
    »Aber ich rede von Kidnapping!«
    »Und ich sitze in einer leeren Wache.« Daniels drehte den Kopf, blickte sich um. »In der vergangenen Nacht, Mister Llandsgryf, raste ein Fischkutter in meinen Hafen - und brachte eine Art Virus mit sich. Zumindest legt das der Zustand der toten

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