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093 - Der Geist im Totenbrunnen

093 - Der Geist im Totenbrunnen

Titel: 093 - Der Geist im Totenbrunnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cedric Balmore
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haften.
    Leroy Chester schloß die Augen.
    Er mußte ganz ruhig bleiben, durfte jetzt die Nerven nicht verlieren. Es gab für alles eine Erklärung. Das Loch in seiner Schläfe, diese schreckliche, geradezu tödlich anmutende Verletzung, die er auf wunderbare, wenn auch noch völlig ungeklärte Weise überstanden hatte, bot einen sicheren Anhaltspunkt.
    Er trat an den Schrank und öffnete dessen knarrende Tür. Ein Anzug und ein Hemd hingen darin. Auf dem Boden stand eine karierte Reisetasche. Leroy Chester öffnete den Reißverschluß des Gepäckstückes und blickte ins Innere. Wäsche, Socken, ein Rasierapparat, sonst nichts.
    Die Dinge waren ihm so fremd wie das Zimmer, so fremd wie alles, womit er sich in diesen Minuten befassen mußte.
    Chester legte den Pyjama ab und zog sich an. Der Anzug paßte. Er war aus einem feinen, grauen Fresko, eine teure Ware, aber das Innenfutter zeigte keinerlei Etiketten, die über Herkunft, Schneider oder Lieferanten Aufschluß gaben.
    Leroy Chester griff sich an das Kinn, es war die Reflexbewegung eines Mannes, zu dessen Toilette auch das Rasieren müssen gehörte. Er war verdutzt. Er spürte einen starken, harten Bart, ein Feld dichter, kratzender Stoppeln.
    Leroy blickte in den Spiegel.
    Sein Kinn wirkte völlig glatt, wie frisch rasiert.
    Wieder kam der Angstschweiß.
    Das gab es doch gar nicht! Wie konnten seine Finger etwas fühlen, was seinen Augen entging?
    Chester setzte sich auf den Bettrand. Jetzt wirst du verrückt, schoß es ihm mit quälender Deutlichkeit durch den Sinn. Nein, es hatte schon mit diesem schrecklichen Erwachen begonnen, und nun setzte sich die Absurdität der Erlebnisse fort…
    Er stand auf. Sein Herz hämmerte hoch oben im Hals. Er trat an das Fenster. Egal, was ihn auch erwarten mochte, er mußte endlich Gewißheit darüber erlangen, welches Geheimnis sich mit seiner Wunde und seinem Aufenthalt in diesem Zimmer verband.
    Er riß den Vorhang zur Seite und blinzelte verdutzt. Endlich ein vertrauter Anblick! Vor ihm lag der kleine, verträumt wirkende Marktplatz von Hillory Village. Leroy Chester wußte jetzt auch, wo er sich befand. Er war in einem Zimmer von Gus Nottenhams „OLE INN“, dem einzigen Hotel des kleinen Ortes.
    Aber damit war noch nicht geklärt, was es mit der Wunde in seiner Schläfe, seinem Erwachen in diesem Zimmer und dem Widerspruch zwischen Bart und Spiegelbild für eine Bewandtnis hatte.
    Ihm fiel Daphne ein, seine Frau.
    Er mußte sie schnellstens benachrichtigen, mit ihr sprechen. Auf dem Nachtschränkchen neben dem Bett stand ein Telefon. Es war mit einem Münzautomaten gekoppelt. Leroy Chester durch kramte die Taschen seines Freskoanzuges; sie enthielten nichts außer einem Feuerzeug. Ohne Münze konnte er den Apparat nicht benutzen.
    Immerhin, er war zu Hause, mitten in dem kleinen, etwas weltfremd wirkenden Ort, den Daphne und er vor einem Dreivierteljahr zu ihrem neuen Wohnsitz gewählt hatten.
    Sie lebten auf Marhill Place, einem uralten Landsitz, von dem es hieß, daß seine Ursprünge zurück bis ins elfte Jahrhundert reichten. Leroy Chester vermutete, daß die legendenumwobene Geschichte von Marhill Place wohl eher auf die lebhafte Phantasie der Leute von Hillory Village als auf Tatsachen bezogen werden konnte. Er jedenfalls hatte niemals einen Geist oder auch nur die Andeutung eines Spuks bemerkt, und auch Daphne lächelte nur, wenn die Leute von Hillory Village diese alten, komischen Horrorgeschichten erzählten, die sich angeblich auf Marhill Place zugetragen haben sollten und noch immer zutrugen.
    Sicher war allerdings, daß es den Chesters nicht gelungen war, Hausangestellte für den neuen Wohnsitz zu bekommen. Niemand aus der näheren Umgebung hatte den Wunsch oder den Mut, auf Marhill Place zu dienen.
    Die Chesters hatten sich damit abgefunden, verärgert und amüsiert zugleich, aber Daphne murrte immer noch über den Mehranfall an Arbeit und drängte seitdem darauf, wieder nach Dublin zu gehen, wo sie die letzten Jahre vor ihrem Umzug nach Hillory Village gelebt hatten.
    Er hatte nichts davon wissen wollen; er liebte den alten Landsitz, dieses skurrile Herrenhaus mit seinen fast dreißig Zimmern, diese Mischung aus Burg, Schloß und Bauernhaus, die im Laufe der Jahrhunderte organisch gewachsen, aber auch vielfach verändert worden war. Für einen Geschichtsforscher, der Stilreinheit suchte, eine Enttäuschung. Immerhin, Marhill Place war etwas Besonderes, ein sagenumwobenes Gemäuer von düsterem Reiz, ein

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