093 - Die Toten stehen auf
Blendwerk der Schwarzen Magie."
„Dann warten Sie besser den Ernstfall ab, Unga", erwiderte Gunnarsson ruhig und schlug die Waffe mit einer blitzschnellen Bewegung zur Seite.
Dorian hatte diesem Zwischenfall keine Beachtung geschenkt. Wie Gunnarsson hatte auch er ein Schwert an sich genommen. Nun kam er sich nicht mehr so hilflos vor. Eine primitive Waffe war immer noch besser, als mit bloßen Händen zu kämpfen.
Er kehrte auf den Korridor zurück. Da sah er wieder die mädchenhafte Gestalt vor sich. Sie trug ein bodenlanges Kleid, das viele Falten warf, und ein langes, gehäkeltes Kopftuch mit Fransen, unter dem die Arme verborgen waren und das sie sich wie einen Schleier vors Gesicht hielt. Leichtfüßig eilte sie davon. Als sie den Kopf etwas zur Seite drehte, hatte Dorian das Gefühl, es starrten ihn Facettenaugen an.
„Da ist sie wieder!" rief der Dämonenkiller seinen Kameraden zu und nahm die Verfolgung auf. „Jetzt lassen wir sie nicht mehr entwischen", erklärte Unga, der ebenfalls im Korridor aufgetaucht war.
Er stürmte mit vorgehaltener Hellebarde hinter der entfliehenden Gestalt her. Dorian blieb dem Cro Magnon dicht auf den Fersen, Gunnarsson holte schnell auf.
Sie liefen kreuz und quer durch die unterirdischen Gewölbe, rannten Treppen hinauf und hinunter - und der Abstand zu der Erscheinung blieb immer gleich. Es sah nicht so aus, als wollte sie vor ihnen fliehen, sondern es hatte mehr den Anschein, daß sie sie in eine bestimmte Richtung locken wollte. Endlich blieb Unga unter einem Torbogen keuchend stehen.
„Diese Geisterfrau schafft mich", sagte er schwer atmend. „Ich glaube, es hat keinen Zweck, sie weiterzuverfolgen. Wenn sie es nicht will, kommen wir nie an sie heran."
Dorian und Gunnarsson waren ebenfalls ziemlich erschöpft, als sie zu dem Torbogen kamen.
„Hast du sie aus den Augen verloren?" erkundigte sich Dorian.
Der Cro Magnon schüttelte den Kopf und machte eine Armverrenkung in Richtung Tor.
Dorian trat hindurch. Er kam in ein großes Gewölbe, das sich entschieden von allen anderen unterschied, durch die sie bis jetzt gekommen waren.
Zuerst konnte er nicht viel erkennen - nur die verhüllte Gestalt inmitten von aufragenden schemenhaften steinernen Gebilden. Doch mit jedem Schritt, dem er sich der Gestalt näherte, wurde es heller. Die Wände begannen immer stärker in dem grünlichen Licht zu leuchten.
„Halt, Dorian!" hörte er da Gunnarsson hinter sich rufen. „Keinen Schritt weiter! Das ist eine Falle!" Dorian hatte bisher seine Aufmerksamkeit auf die Erscheinung inmitten des Kreises von sieben grob behauenen Steinen konzentriert. Wie nebenbei registrierte er, daß es sich dabei um Menhire handelte, wie man sie aus dem Megalithikum kannte - also aus jener Zeit, aus der auch Luguri stammte. Gunnarssons Warnung riß ihn aus seiner Betrachtung. Er blickte sich um - und da sah er die anderen Gestalten, die sich bisher hinter den Menhiren versteckt hatten und nun langsam hervorkamen.
Es waren an die dreißig Männer und Frauen. Alle trugen mittelalterliche Kleider, jedoch augenscheinlich aus verschiedenen Zeiten.
„Sind das - Untote?" hörte Dorian Unga fragen.
Zweifel klang in seiner Stimme mit.
Dorian verstand seine Zweifel, denn beim Anblick dieser Geschöpfe hatte er sie ebenfalls. Auf den ersten Blick sahen sie nämlich wie ganz normale Sterbliche aus; zumindest hatten sie nicht die typischen Merkmale von Untoten. Ihre Gesichter waren voll, gut gepolstert mit Fleisch, nur war ihre Gesichtsfarbe grünlich; das mochte allerdings auf die Beleuchtung zurückzuführen sein! Doch in ihren Augen war kein Leben; sie waren so seelenlos wie Glasaugen von Puppen.
„Es sind Untote", stellte Dorian fest und hob das Schwert.
„Ja, aber es ist eine ganz besondere Art von Untoten", fügte Gunnarsson hinzu. „Sehen sie nur, wie ihre Körper glänzen! Ihre Gesichter, die Hände und die Wunden - alles ist mit einer schleimartigen Glasur überzogen. Als würde dieser Schleim sie konservieren."
Dorian blickte kurz zu der verhüllten Gestalt im Menhirkreis hinüber. Das Mädchen mit dem Schleier rührte sich nicht.
„Sie haben nur linke Hände!" rief Unga da. „Ist euch das noch nicht aufgefallen?"
Dorian hatte darauf bisher noch nicht geachtet. Erst durch Ungas Hinweis wurde er darauf aufmerksam. Ja, es stimmte. Irgend jemand hatte diesen Gestalten die rechten Hände abgehackt. Ihre rechten Arme endeten in blutleeren Stummeln.
Dorian fiel nun auch auf, daß sie
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