0931 - Bauchtanz mit dem Tod
aus diesen Umständen gemacht. Unter Schock standen sie noch immer. Gegen die Blässe in den Gesichtern hätte nur Schminke geholfen, aber darauf verzichteten unsere Gäste.
Suko und ich standen noch immer wie die berühmten Ochsen vor dem Berg. Wir wußten nicht, um was es ging, aber das würde sich ändern.
Zunächst einmal warteten wir, bis die Frauen ihre Tassen geleert hatten.
Anschließend schenkte Shao nach. Sie hatte das helle Deckenlicht ausgeschaltet. Im eher matten Licht der kleinen Lampen verschwanden die harten Falten der Müdigkeit aus den Gesichtern.
Joachim Bertus bat um einen Whisky, den er auch erhielt. Er trank einen Schluck, schloß die Augen und meinte: »Ich werde Ihnen wohl kaum etwas berichten können. Ich kenne keine Hintergründe, ich weiß nichts über irgendwelche Monster oder lebende Skelette. Nehmen Sie mich als einen neutralen Zeugen hin.«
»Das werden wir gern tun«, sagte ich und schaute erst Wilma und dann Janina an. »Aber Sie beide könnten uns etwas über das Motiv erzählen, denke ich.«
Sie senkten die Köpfe, bevor sie sich anschauten. »Wir wußten auch nicht, daß es dazu kommen könnte«, sagte Janina.
»Aber wie sind Mörderinnen«, erklärte Wilma. »Wir haben einen Menschen getötet. Ich stach mit dem Messer zu, Janina tat es ebenfalls. Wir sahen keinen anderen Ausweg.«
Suko und ich schwiegen. Shao hob die Augenbrauen. Daß Wilma nicht gelogen hatte, war uns beiden klar, aber es fiel ihr schwer, darüber zu reden.
»Wer ist es gewesen?« fragte Suko.
Janina gab die Antwort nur flüsternd. »Ein Mann namens Abdul Akam. Er war auf dem Schiff. Man hat uns dort als Gefangene gehalten. Es war unsere letzte Chance.«
Für mich war das der Zeitpunkt, wo ich darum bat, alles von Beginn an zu erfahren. Die beiden waren einverstanden und schienen froh darüber zu sein, daß wir ihnen keine Vorwürfe wegen ihrer Tat machten. Wir wollten erst abwarten und die Reaktion kennenlernen.
Wilma und Janina wechselten sich ab. Sie sprachen leise, tranken zwischendurch von ihrem Tee, kauten auch mal Gebäck, und so erfuhren wir, daß beide große Bauchtanz-Fans waren. Nicht nur so, weil es ihnen Spaß machte, sondern sie traten damit in Lokalen auf. Aus einem dieser Lokale hatte man sie entführt.
Nach einem Auftritt hatten ihnen die Männer in der Garderobe aufgelauert. Es war alles sehr schnell gegangen. Sie waren betäubt und dann weggeschleppt worden. Aus ihrem Zustand erwacht waren sie auf dem Schiff, und dort hatte die Tour der Leiden erst so richtig begonnen.
Sie waren für den Einsatz in den Harems und Wüstenbordellen ausgesucht worden. Wie das aussah, brauchten sie uns nicht zu berichten. Sie waren nur froh, daß sie keine äußerlichen Verletzungen abbekommen hatten, denn die Händler wollten »gute Ware« abliefern.
Es war nur vernünftig gewesen, daß sie ihren Peinigern keinen Widerstand entgegengesetzt hatten, statt dessen hatten sie einen Fluchtplan geschmiedet.
Vor einigen Stunden hatten sie ihn durchgeführt und den Chef dieser Bande bei ihrer Flucht getötet.
»Aber er war nicht tot«, sagte Wilma leise. Ihre Freundin Janina nickte zustimmend.
»Nicht?« wunderte ich mich.
»Zuerst schon«, flüsterte Wilma, »aber dann kam alles anders. Er veränderte sich. Die Haut fiel von seinem Körper ab, und er wurde zu einem lebenden Skelett. Genau zu dem Monster, das uns dann verfolgt hat und das Sie gesehen haben. Genau so ist es gewesen, und wir beide würden einen Eid darauf schwören.«
Ich dachte an die vorherige Tat und fragte: »Wo sind eure Messer jetzt?«
Die Frauen schauten sich an. »Ich habe meines verloren«, erklärte Janina.
Wilma überlegte nicht lange. »Bei mir ist das auch der Fall gewesen, glaube ich.« Sie schüttelte den Kopf und atmete stöhnend. »Es war alles so überraschend und aufregend. Wir wollten nur unser Leben retten und haben auf alles andere nicht geachtet. Bitte, Mr. Sinclair, sind wir jetzt für Sie Mörderinnen?«
»Nein«, beruhigte ich sie. »So sehe ich das nicht.«
»Danke«, murmelte sie. »Was haben wir dann getan? Können Sie uns das erklären?«
Diesmal wollte Suko seine Meinung kundtun. »Ohne es mit dem erhobenen Zeigefinger eines Juristen zu sehen«, erwiderte er, »kann ich Ihnen beiden sagen, daß Sie nicht getötet, sondern etwas erweckt haben, das sich raffiniert getarnt und hinter einer menschlichen Gestalt verborgen hatte. Eben das Monster, ein lebendes Skelett.«
»Ja«, bestätigte Janina mit leiser
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