0931 - Shinigami
was?«
Yasmina sah irritiert zu ihr herüber. »Bist du jetzt Dämonenjägerin, wie du behauptet hast, oder nicht?«
»Guck auf die Straße!« Nicole wedelte in Richtung der Windschutzscheibe, auf der die Scheibenwischer kaum gegen die Graupelschauer ankamen, und überlegte sich eine passende Antwort. »Ja, das bin ich«, sagte sie schließlich ein wenig widerwillig. War Yasmina die Tatsache zu Kopf gestiegen, dass sie Totengeister sehen konnte? Das fehlte noch, dass sie jetzt noch als Vorbild fungierte, damit Yasmina dann ihre eigenen Geschäfte wie die mit den Blazons oder Prosper Leloux selbstständig weiterführte! Aber man musste wohl das Beste hoffen, nämlich, dass Yasmina nach dieser ganzen Geschichte von der Dämonenbeschwörerei Abstand nahm. »Aber zur Dämonenjägerei gehört auch, dass man Opfer nicht in Gefahr bringt.«
»Du redest Blödsinn«, sagte Yasmina grob. »Du hast Fonsy doch vorgestern im Krankenhaus gesehen. Glaubst du wirklich, da ist noch viel zu verschlimmern?«
Sie hat völlig recht , dachte Nicole betroffen. Ich rede Unsinn. Vielleicht schlafe ich zu wenig. Oder vermisse das Château zu sehr, da wären weder dem Chef noch mir solche Bedenken je gekommen. Vielleicht habe ich mir aber auch Louis Landrus korrekte, aber grausig pedantische und bürokratische Denkweise unbemerkt zu eigen gemacht. Oder ich träume zu viel von diesem CHAVACH.
Wahrscheinlich ist es von allem ein bisschen. Irgendwie bin ich in letzter Zeit einfach zu deprimiert und gebe das mir gegenüber nicht zu.
Es wird mir besser gehen, wenn ich diesen Schatten erst einmal ausgeschaltet habe und dank des Shinigami Paulette Blazon einen angenehmen Lebensabend bei ihrer Tochter in Perpignan ermöglicht habe.
»Also, was ist jetzt?«, fragte Yasmina und zündete sich eine Zigarette an, während die Tachonadel sich zitternd bei 70 Stundenkilometern einpendelte. »Machen wir jetzt einen auf Buffy the Vampire Slayer und helfen Fonsy Daladier oder nicht?«
Nicole lachte auf einmal laut auf, als sie Yasmina von der Seite ansah. »Du hast recht. Ich habe Blödsinn geredet. Klar helfen wir ihr.«
»Gut, dann sagen wir ihr das jetzt«, meinte Yasmina grinsend und bremste mit quietschenden Reifen vor einem Haus in der Rue Caulaincourt 41.
***
Alphonsine Daladier stand nervös eine Zigarette rauchend an ihrem Küchenfenster und starrte auf die Straße hinunter, durch die immer noch ein graupeliger Regen peitschte. Das kleine Restaurant unten im Parterre hatte seine rote Markise nicht eingefahren. Aber selbst die aufgestellten Heizpilze lockten keine Kunden darunter.
Kein Wunder, dachte Nicole und überlegte, ob es Alphonsine gut tun würde, wenn man sie zum Mittagessen einlud. Die junge Frau war als leidlich erfolgreiches Laufstegmodel in Paris sicher nie zu dick gewesen, im Gegenteil. Aber Nicole war erschrocken, als eine geradezu skelettdürre Frau ihr und Yasmina die Tür geöffnet hatte. Selbst der weite und viel zu groß wirkende dicke Frotteebademantel unterstrich die magere Figur von Alphonsine eher, als dass er sie verbarg. Die Wangen grau und eingefallen, die Augen tief in den Höhlen sah Alphonsine Daladier wie ein Schatten ihrer selbst aus. Yasmina hatte Nicole einen bedeutsamen Blick zugeworfen. »Habe ich's nicht gesagt«, wisperte sie, als Alphonsine sich mit den Worten »Ich zieh mir schnell was an« entschuldigt hatte. »Selbst Nana konnte gestern nicht mehr viel retten. Sie meinte, sie hätte Fonsy Tonnen von Make-up drauf getan und es hat nichts geholfen.«
»Glaube ich sofort«, murmelte Nicole und fragte sich einen Moment, wie sie je daran hatte zweifeln können, dass es richtig war, Alphonsine aus diesem Martyrium mit dem Dämon herauszuhelfen. Ich muss völlig vernagelt gewesen sein. Yasmina sei dank, dass ich's mir überlegt habe!
Jetzt stand das Model am Küchenfenster und rauchte zitternd schon die dritte Zigarette. Sie war so deprimiert, dass sie gar nicht glauben wollte, was Yasmina da erzählt hatte - diese junge Frau in dem modischen Lederblazer, dem schicken T-Shirt und der Sonnenbrille in den Haaren war eine Dämonenjägerin? So etwas gab es doch nur im Fernsehen.
»Ach was«, meinte Yasmina rüde. Sie gefiel sich offenbar in der Rolle der aufgeklärten und abgebrühten Dämonenjägerassistentin. Sie hat sich wirklich verdammt schnell an die Rolle der kämpfenden Samariterin gewöhnt , dachte Nicole belustigt. »Glaubst du denn mittlerweile selbst, dass du nichts weiter als irgendwelche
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