0933 - Der erste Erbfolger
ist nicht die Zeit flotter Sprüche!«
»Ja, schon klar.« Zamorra wollte noch immer nicht daran glauben. »Also, wie soll ich mir diese Seelenreise vorstellen?«
»Du wirst in den Körper des gerade Verstorbenen einfahren, der dem Ende der Zeitenbrücke am nächsten ist. Deine Seele wird die Lebenszeit dieses Körpers um einige Stunden verlängern. Diese Spanne musst du nutzen. Lerne, wie die Erbfolge begann. Zieh deine Schlüsse daraus. Und, wenn es gar nicht anders geht, beende die Erbfolge, bevor sie beginnt!«
Eine undenkbare Möglichkeit! Damit würde er nicht nur Rhett und dessen Vorgänger, seinen väterlichen Freund Bryont, aus der Zeit tilgen, er würde damit auch die Erschaffung sämtlicher unsterblicher Kämpfer für das Gute ungeschehen machen. Dadurch hätte er niemals von der Quelle des Lebens getrunken und sähe nun seinem Alter entsprechend aus. Falls er noch lebte.
Und das waren nur die geringsten Auswirkungen. Wer konnte sagen, ob sich die Welt überhaupt so entwickelte, wenn er etwas verhinderte, was vor über 35.000 Jahren geschehen war. Ein gigantisches Zeitparadoxon wäre die Folge.
Aber diese Frage stellte sich ohnehin nicht, denn schließlich war Rhett nicht böse!
»Und wie soll meine Seele zurückkehren?«
»Das wird beim Tod deines Wirtskörpers ganz von selbst geschehen.«
»Verstehe. Aber wie soll ich meine Seele dazu bringen, die Brücke zu betreten und - wie du es so prosaisch ausgedrückt hast - auf der Welle der Zeit zu reiten?«
»Erinnere dich, Zamorra. Schon einmal hast du eine riesige Stadt in der Vergangenheit besucht, die ein Überbleibsel Lemurias war.« [1]
Der Meister des Übersinnlichen runzelte die Stirn, doch dann fiel es ihm wieder ein. »Ja, richtig. Das ist furchtbar lange her.« Wenn er sich richtig erinnerte, hatte ein Schamane aus dieser Stadt durch einen Zauber den Geist Leonardo de Montagnes rufen wollen. Leonardo war jedoch längst tot, deshalb erstreckte sich der Zauber auf Zamorras Seele. »Ich bin damals bei einem Autounfall ums Leben gekommen und meine Seele fuhr in den Körper des lemurischen Zauberers Zamo Rra ein, der ebenfalls gerade gestorben war. Dadurch belebte sie ihn neu. Aber was hat… Oh, verdammt!«
Die Merlinkarnation nickte verständnisvoll. »Du hast es erkannt! Du musst sterben, damit deine Seele die Reise antreten kann.«
»Das ist doch absurd!«
»Nein, keineswegs. Und keine Angst! Schließlich kehrt deine Seele zurück, bevor dein Körper Verfallserscheinungen zeigt.«
»Na, herzlichen Dank. Das beruhigt mich ungemein. Aber es ist ohnehin gleichgültig, weil ich diese Reise nicht unternehmen werde. Du hast dich geirrt! Die Erbfolge ist nicht böse geworden.«
»Das kann nicht sein! Aber das musst du alleine feststellen!«
»Was soll das heißen?«
»Dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Eine Inkarnation Merlins kann nur existieren, wenn sie regelmäßig mit neuer Energie ihres Erschaffers versorgt wird. Jetzt, wo Merlin tot ist, gibt es keinen Nachschub mehr. Die Inkarnation wird vergehen, sobald ihre gespeicherte Energie verbraucht ist. Bei mir ist das jetzt der Fall. Meine Aufgabe ist erfüllt. Leb wohl, Zamorra.«
»Warte!«
Aber Merlins Abbild hatte nicht gewartet. Es war einfach verblasst und dann erloschen, wie ein Fernsehbild. Knister, puff, weg war es!
Zamorra war ins Château Montagne zurückgekehrt. Zunächst war seine Freude groß gewesen, als er die Peters-Zwillinge antraf und feststellte, dass Anka Crentz aus ihrem todgleichen Zustand erwacht war. Doch sie war umgeschlagen in schieres Entsetzen, als er nur Minuten später mit ansehen musste, wie Rhett mit Aktanur zu einem bösartigen Wesen verschmolz.
Die Merlinkarnation hatte recht gehabt! Und er hatte es nicht glauben wollen.
Wie ein geprügelter Hund war er in sein Arbeitszimmer geschlichen. Eine einzige Frage ging ihm immer wieder durch den Kopf: Wenn Merlin schon richtig damit lag, dass die Erbfolge zur bösen Seite zurückkehrte, traf es dann auch zu, dass der Menschheit eine riesige Gefahr drohte?
Es gab zwei Möglichkeiten, das herauszufinden. Entweder wartete er einfach ab, ob die Gefahr eintrat oder nicht. Falls sie eintrat, könnte es jedoch zu spät sein, dagegen vorzugehen. Oder er unternahm die Reise auf der Zeitenbrücke, die die Merlinkarnation ihm so dringend ans Herz gelegt hatte. Sollte er die zweite Option wählen, müsste er dies sofort tun. Solange noch die Chance bestand, Rhett irgendwie helfen zu können.
Für einen kurzen Moment
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