0933 - Der erste Erbfolger
antwortete Aryen.
»Deinem Sohn Stracen wird eine Lebensdauer von exakt 17 Jahren vergönnt sein, während der die Bosheit seiner Seele ständig anwächst. Er wird einen Sohn zeugen, der am Tage seines Todes zur Welt kommen wird. Seine Seele wird auf den Körper seines Sohnes überwechseln und dort eine neue Heimat finden.«
»Das heißt, es wohnen zwei Seelen im Körper seines Sohnes?«
»Zunächst ja. Die unschuldige, reine Säuglingsseele und die des Erbfolgers .«
Invo Tanaar gab einen erstickten Laut von sich, als er aus dem Maul des Dämons den gleichen Begriff hörte, den sein vermeintlicher Sohn Jurg vorhin schon benutzt hatte. Erbfolge! »Du hast mir später eine ganze Menge zu erklären!«
»Pssst«, machte Zamorra.
»Doch die böse Seele des Erbfolgers «, fuhr Lucifuge Rofocale fort, »wird die des Kindes in sich aufnehmen und zu seiner Stärkung verwenden. An seinem 18. Geburtstag wird er sterben und das Spiel beginnt von Neuem.«
»An seinem 18. Geburtstag?«
»Ja, jeder Erbfolger wird exakt ein Jahr älter als sein Vorgänger. Denn mit zunehmender Kraft und Macht wird auch die Seele des von ihm gezeugten Säuglings kräftiger und machtvoller. Und so dauert es von Inkarnation zu Inkarnation länger, die Kinderseele in sich aufzunehmen und zu einem Baustein des eigenen bösen Geistes zu machen.«
Zamorra spürte, wie Jurgs Mund austrocknete. Das also war der Grund, warum jeder Erbfolger ein Jahr länger lebte als sein Vorgänger. Es dauerte so lange, bis seine Seele die des Säuglings vollständig geschluckt hatte. Entsetzen erfüllte den Meister des Übersinnlichen. Wie hatte er all die Jahre nur so dumm und ignorant sein können, dass er sich nie Gedanken darüber gemacht hatte, was mit der Seele des Kindes geschah? Dabei lag diese Frage doch so nah! Schließlich wechselte die Erbfolger -Seele erst nach der Geburt auf den Sohn über. Also musste das Kind schon eine eigene Seele besitzen.
Sofort rief er sich zur Ruhe. Natürlich hatte er sich diese Frage nie gestellt, aber da war er nicht der Einzige! Niemanden, der von der Erbfolge wusste, hatte er je darüber reden hören. Nicht einmal Bryont oder Rhett selbst!
»Aber wozu soll das gut sein?«, drang Aryens Frage durch das Gestrüpp des Waldes und das aus Zamorras Gedanken in sein Bewusstsein vor.
»Du wagst es, meine Pläne zu hinterfragen?« Lucifuge Rofocales Stimme grollte wie Donner.
Hastig winkte Aryen ab. »Nein, nein. Ich bin nur neugierig. Du brauchst die Frage natürlich nicht beantworten.«
Der Ministerpräsident der Hölle lachte auf. »Oh, wie großzügig von dir. Aber ich will deine Neugierde stillen. Zumindest für einige Minuten. Denn du musst wissen, dass die Erschaffung so geheim ist, dass nicht einmal Asmodis oder andere Dämonen davon erfahren werden. Also muss ich dir nach der Vollendung des Rituals die Erinnerung daran nehmen.«
»Aber…«
»Schweig und höre! Mit jedem Leben wird der Erbfolger stärker werden. Tausende von Jahren werden vergehen, bis die Erbfolge mit der 250. Inkarnation endet. Sie wird ein Wesen hervorbringen, stärker als alle Dämonen, die die Welt bisher gesehen hat. Ein Geschenk für LUZIFER, den KAISER. Der Name des 250. Erbfolgers wird Xuuhl lauten.«
Rasch überschlug Zamorra die Zahlen, die er kannte. Er kam zu einem Ergebnis, das er befürchtet hatte! Stracen Chluhe'chlyn würde mit 17 Jahren sterben. Er war der Erste in einer langen Reihe. Der Zweite würde 18 Jahre alt werden, der Dritte 19 Jahre und so weiter. Das hieß, dass der Erbfolger , der zu Xuuhl werden sollte, 266 Jahre alt werden würde. So alt, wie es Rhett vorherbestimmt war!
Rhett war der letzte Erbfolger ! Er war Xuuhl!
Oder er wäre Xuuhl geworden, wenn sein Vorgänger vor 20.000 Jahren nicht die Seiten gewechselt hätte. Oder er wurde es doch noch, weil er die Seiten erneut gewechselt hatte.
Was hieß das nun für Zamorra? Sollte er die Gunst der Stunde nutzen und die Erbfolge und dadurch Xuuhls Entstehung verhindern? Durfte er ein Zeitparadoxon herbeiführen, auf die vage Gefahr hin, Rhett könne dieser stärkste aller Dämonen werden?
Plötzlich erlosch der Schimmer der Ramesch-Zapfen um sie herum und die Zeremonienhöhle lag für einen Augenblick in tiefer Dunkelheit. Doch da schickte die Sonne ihren ersten Strahl durch das Loch in der Decke. Er traf genau in Stracens Augen, der sie geblendet zukniff, die Patschhände vors Gesicht schlug und zu weinen begann.
»Es ist so weit!«, dröhnte Lucifuge
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