0933 - Der erste Erbfolger
Rofocale.
Mit zwei schnellen Schritten war er bei dem Altar und murmelte finstere Zaubersprüche. Ohne jegliche Mühe drückte er dem Säugling die Hände zur Seite, dass sein Gesicht freilag. Dann ritzte er sich mit einem seiner Hörner die Haut am Unterarm an. Sofort drang tief schwarzes, an Teer oder Öl erinnerndes Blut aus der kleinen Wunde.
Der Dämon presste Stracen die Verletzung an die Lippen und aus einem Reflex heraus begann der sofort daran zu saugen. Als er genug des Dämonenbluts getrunken hatte, zog Lucifuge Rofocale den Arm weg und lachte.
»Es ist vollbracht! Die Erbfolge hat begonnen!«
»Nein!«, flüsterte Invo Tanaar neben Zamorra. »Das müssen wir verhindern!«
»Aber wie?« Zamorra versuchte auf Zeit zu spielen, bis er zu einer Entscheidung gekommen war. »Der Altar ist zu weit weg. Wir können ihn niemals erreichen, ohne dass der Dämon uns entdeckt.«
Der Priester umklammerte den Dhyarra fester. »Das ist auch nicht nötig.«
Noch bevor Zamorra etwas unternehmen konnte, schloss Invo die Augen. Keine Sekunde später drang ein ersticktes Keuchen über seine Lippen und er öffnete die Augen wieder. Sie waren blutunterlaufen, unzählige Äderchen geplatzt. Von einem Moment auf den anderen. Er stieß einen lemurischen Fluch aus. »Die Magie des Gedankenkristalls erreicht den Säugling nicht! Die schwarze Abschirmung ist zu stark!«
»Und nun zu dir«, erklang Lucifuge Rofocales Bassstimme erneut.
Der Dämon führte Aryen zu einem Platz einige Meter vom Altar und dem Säugling entfernt. Dann legte er ihm die Hände so auf die Schläfen, dass die Daumen auf den Augen zu liegen kamen, als ob er sie eindrücken wollte. Mit diesem Zauber nahm er Aryen offenbar das Gedächtnis und bereitete seinen Aufstieg zur Macht vor.
Und er wandte dem Altar den Rücken zu!
Noch bevor Zamorra protestieren konnte, zwängte sich Invo durch die Äste und trat in die Zeremonienhöhle. Das Geräusch seiner Schritte ging in Lucifuge Rofocales Bassstimme unter, mit der er Zaubersprüche ausstieß.
Zamorra fluchte in sich hinein. Was sollte er nun tun? Invo daran hindern? Löste er ein Zeitparadoxon aus, wenn er den Priester gewähren ließ? In der ursprünglichen Vergangenheit war Jurg zu diesem Zeitpunkt schon tot, hatte Invo an dem, was er vorhatte, also nicht mehr hindern können. Oder löste er es aus, wenn er einschritt? Denn ohne Zamorra wäre der Goldene womöglich nie in die Höhle gekommen und hätte sich deshalb nie auf den Säugling stürzen können. Oder war die Vergangenheit ohnehin schon festgeschrieben, und wofür auch immer er sich nun entscheiden würde, es war bereits geschehen?
Irgendwann platzte ihm noch der Kopf, wenn er über solche Dinge nachgrübelte!
Da er nicht wusste, welche seiner Überlegungen richtig war, durften sie in seiner Entscheidung keine Rolle spielen. Deshalb musste er tun, was ihm sein Instinkt und sein Gewissen befahlen!
Er brach ebenfalls aus dem Gebüsch und rannte Invo nach. Der Priester war auf dem Weg, einen Säugling zu töten. Das durfte er nicht zulassen, egal was aus diesem Kind vielleicht einmal werden würde.
Bisher hatten weder Lucifuge Rofocale noch Aryen die Eindringlinge bemerkt.
Invo erreichte den Altar und riss den Dolch unter seinem Gewand hervor. Zamorra wurde klar, dass er zu lange gegrübelt und dadurch zu viel Zeit verloren hatte. Er würde Invo niemals rechtzeitig erreichen, um das Baby zu retten. Nicht, wenn sie unentdeckt bleiben wollten.
Es gab nur noch eine Möglichkeit!
»Nein!«, brüllte er. Noch im Laufen zog er seinen eigenen Dolch.
Wie erhofft, verharrte Invo in der Bewegung und schaute Zamorra ungläubig an.
Lucifuge Rofocale ließ Aryen los und wirbelte herum. Zunächst donnerte ihnen nur seine Stimme entgegen, doch nur kurz darauf folgte ihr ein Feuerball.
Im letzten Augenblick erreichte Zamorra Invo und riss ihn zur Seite. Der ließ den Dolch zwar noch heruntersausen, doch er schlug nur ins Holz des als Altar benutzten Baumstumpfes und blieb zitternd stecken. Der Feuerball raste über die beiden hinweg. Zamorra spürte noch, wie die Lohe ihm Jurgs Kopfhaut versengte, dann tauchten sie hinter dem Stumpf in eine trügerische Sicherheit.
»Lauf!«, herrschte er Invo an. »Lauf, so schnell du kannst!«
Er griff nach dem Gedankenkristall. Noch bevor er dessen Kraft entfesselte, bemerkte er, dass er sich hierfür lange nicht so gut konzentrieren musste, wie es bei den Dhyarras der Fall war, die er kannte. Oder lag es daran, dass
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