0933 - Der erste Erbfolger
Krychnak.
Da erschien Sid in seiner Teufelsgestalt hinter dem Dämon. Er umklammerte ihn mit seinen Pranken. Die Spitze des Schwanzes setzte er ihm wie ein Messer unters Kinn.
Für einen winzigen Augenblick hatte Zamorra den Eindruck eines flackernden Bildes, als wären Sid und Krychnak für einen Lidschlag verschwunden, aber sofort wieder aufgetaucht.
»Mach die Verschmelzung rückgängig!«, brüllte der ehemalige Fürst der Finsternis so laut, dass selbst das inzwischen verhallte Donnergrollen wie das Husten einer Ameise klang. »Oder ich bohre dir ein so großes Loch in den Kopf, dass du dich von innen an der Stirn kratzen kannst.«
Der augen- und nasenlose Dämon gab ein Wimmern von sich. In Sids Würgegriff trippelte er zu dem Rhett-Monster.
»Warum tust du so etwas?«, fragte er. »Du bist doch einer von uns!«
»Ich war einer von euch!«, entgegnete Sid. »Aber ich habe das Team gewechselt!«
»Verräter!«
»Wie auch immer. Und nun mach die Verschmelzung rückgängig.«
»Dazu musst du mich loslassen!«
Zamorra wollte Sid zurufen, sich nicht darauf einzulassen, aber dieser würde ohnehin tun, was er für richtig hielt.
»Aber keine faulen Tricks!«
Sid stieß Krychnak von sich.
Der taumelte die wenigen Schritte bis zu Rhett. Er murmelte Worte vor sich hin, aber Zamorra konnte nicht sagen, ob er auf Sid Amos schimpfte oder ob es sich um für den Zauber notwendige Sprüche handelte.
Und dann geschah das, womit Zamorra nicht mehr gerechnet hätte.
Krychnak packte das pulsierende Wesen mit einer Hand an der Schulter. Mit der anderen versetzte er ihm einen Schlag gegen die Stirn.
Der Erbfolger torkelte nach hinten und brach entkräftet zusammen. Aktanur jedoch blieb in Krychnaks Griff zurück.
Noch bevor jemand reagieren konnte, öffnete er einen Weltenriss und stürzte sich mit Aktanur hinein. Bevor sich das Loch im Gewebe des Seins hinter ihnen schloss, hörte Zamorra ihn keifen: »Es ist noch nicht vorbei!«
Der Parapsychologe rannte zu Rhett. Noch im Laufen zog er die weiße Jacke aus und legte sie dem Erbfolger um die nackten Schultern.
»Alles Okay mit dir?«
Rhett sah ihn an. Sein Körper war überzogen von einer gelblichen Schmiere, als wäre er durch Vaseline geschwommen. »Geht schon, danke.« Seine Stimme war kaum zu hören.
Da war Anka heran und nahm ihn in die Arme.
Zamorra schenkte ihnen einige Augenblicke für sich. Er wandte sich Sid Amos zu.
»Danke! Aber warum hast du mir das Amulett aus den Händen geschlagen?«
»Weil es vielleicht nicht nur Krychnak, sondern auch Rhett angegriffen hätte!«
Den Professor schwindelte bei dieser Vorstellung. »Daran habe ich nicht gedacht«, gab er kleinlaut zu.
Sid grinste. »Dafür hast du ja mich!«
***
Am nächsten Abend saßen sie im Kaminzimmer und ließen es sich gut gehen. Krychnaks Plan, Rhett auf die Seite des Bösen zu ziehen, war gescheitert. Anka war von den Toten zurückgekehrt. Die Ursprünge der Erbfolge waren geklärt.
Alles in allem also ein erfolgreicher Abschluss der letzten Nacht.
Aber der eine oder andere Wermutstropfen trübte die Freude doch ein wenig. Von Anne fehlte nach wie vor jede Spur. Sid hatte das Amulett wieder mit nach Caermardhin genommen. Und Rhett litt unter dem Wissen, dass die Wiedergeburt des Erbfolgers in seinem Sohn diesen die Seele kostete.
»Was für eine Perversität!«, sagte er. »So etwas kann sich nur ein Dämon ausdenken. Ich bin so froh, dass die Erbfolge mit mir ein Ende nimmt!«
»Aber hoffentlich nicht als Xuuhl!«, meinte Dylan. »Schon alleine der Name geht ja gar nicht!«
Anka kuschelte sich auf dem Sofa fester an Rhett. »Kannst du dich jetzt an alle Leben erinnern?«
»Ich konnte es, während Aktanur in mir war. Inzwischen sind die Erinnerungen verblasst, bis auf einige entscheidende Augenblicke.« Er stockte und streichelte Anka übers Haar. »Am liebsten würde ich mich an gar nichts der ersten 15.000 Jahre erinnern können.«
Zamorra nahm einen Schluck Rotwein. Er hatte eine neue Flasche geöffnet, da Sid die angebrochene mitgenommen hatte. »Weißt du noch, wie der Wechsel auf die gute Seite vonstattenging?«
»Nein. Da herrscht noch ein großer schwarzer Fleck!«
»Wie ist es mit der Quelle des Lebens ? Hast du schon als dämonischer Erbfolger Auserwählte dorthin gebracht?«
Rhett musste über diese Frage nachdenken, bevor er antwortete. »Nein, ich glaube nicht. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich da bereits von ihr wusste. Oder ob es sie überhaupt schon
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