0933 - Die Horror-Mühle
seiner Schwester stehen. Nicht einmal huschte der Strahl über die hellen Särge hinweg, weil er die Hand hatte in die Höhe zucken lassen, dann schaltete er die Lampe aus. Es wurde finster.
Silvia lehnte sich gegen ihren Bruder. Es tat beiden gut, die Körper zu spüren, und Jens, der sich in die Beschützerrolle gedrängt sah, strich immer wieder mit seiner Hand über die Schulter und danach den Arm der Schwester hinweg.
Auch er starrte in die dunkle Leere. Alles um ihn herum war so dumpf geworden.
Sie konnten nichts tun.
Sie konnten nur warten, denn irgendwann würde der Mann kommen, um sie zu töten. Die Särge standen bereit. Er würde sie irgendwo verscharren.
Das brachte auch Jens fast um den Verstand, und er sackte ebenfalls zusammen. Er fing an zu weinen und spürte kaum, daß auch Silvia ihn streichelte.
Sie hatte sich jetzt besser unter Kontrolle, und sie nahm auch ihre Umgebung mehr auf.
Da sie nicht so weit weggetreten war, hörte sie plötzlich die Geräusche.
Zuerst wußte sie nicht, woher sie kamen. Die tollsten Möglichkeiten schössen ihr durch den Kopf. Sie dachte daran, daß jemand in den Särgen lag und diese Geräusche machte.
Ein Kratzen und Stöhnen. Unheimliche Laute. Sie wußte nicht mal, ob ein Mensch oder ein Tier sie ausgestoßen hatte. Jedenfalls waren sie vorhanden, und sie hörten sich an wie ein ferner Singsang, der hin und wieder von einem rauhen, bösen Flüstern unterbrochen wurde.
Eine Stimme oder mehrere?
Silvia kam damit nicht zurecht. Es wurde eng um sie herum. Der Druck in ihrem Körper nahm noch mehr zu, und sie drehte den Kopf nach rechts, um besser hören zu können.
Es klappte auch, denn plötzlich wußte sie, woher die Laute kamen.
Hinter der zweiten Tür waren sie aufgeklungen. Dort mußte sich jemand aufhalten, und sie konnte sich sehr gut vorstellen, wer es war.
Alfons Buzea!
***
Der Verbrecher hatte sich beherrschen müssen, um seine Freude nicht laut hinauszuschreien. Wie naiv, aber trotzdem normal, waren ihm die beiden doch ins Netz gegangen! Er hatte sie mit seinen Worten beruhigt, sie waren ihm gefolgt, sie waren so neugierig gewesen, und jetzt befanden sie sich unter seiner Kontrolle. Bei den Särgen, die sie bestimmt schon gesehen hatten. Wenn sie schlau genug waren, dann ahnten sie, für wen er die Särge in die Mühle geschafft hatte.
Ja, sie würden sich wundern, wozu er alles fähig war. Er würde den Heiligen ihre Opfer bringen und von ihnen reich belohnt werden. Zweimal hatte er abgeschlossen und ging nun auf eine zweite Tür zu, die nur wenige Schritte von der des Gefangenenraums entfernt lag.
Er zerrte sie auf und betrat den dahinter liegenden Raum, wo noch der große Trichter stand, mit den Mahlsteinen darunter, der breiten Öffnung im Fußboden, den beiden Flaschenzügen mit den krummen Haken, den alten Säcken, dem Staub auf dem Boden, und den beiden relativ großen Fenstern, durch die genügend Tageslicht fiel, das den Raum mit seinem weichen Schleier bedeckte. Er war zufrieden.
Die anderen Fenster hatte er durch schwarze Tücher zugehängt. Viel Licht brauchte er nicht. Er kam mit dem aus, was in den größeren Raum hineindrang.
Hier fühlte er sich besonders wohl, denn hier hatte er die Ruhe, die er brauchte.
Einen vierbeinigen Schemel schob er mit dem Fuß zur Seite und ließ sich auf der nackten Erde nieder. Das geschah langsam, denn eine gewisse Würde mußte er einhalten.
Alfons Buzea freute sich auf seine Meditation, die ihn immer tiefer in andere Welten eintauchen ließ. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die es fertigbrachten, Grenzen zu überwinden. Er wußte selbst nicht, ob er in der Lage war, seinen Geist vom Körper zu trennen. Wenn er sich aber in diesen anderen Zustand hineinversetzte, dann öffnete sich eine Tür zu anderen Dimensionen.
Im Schneidersitz hockte er auf dem Boden. Den Blick auf die Tür gerichtet, die zum Nachbarhaus führte und wo sich die beiden Kinder befanden.
Er lächelte für einen Moment. Die Heiligen wußten sicherlich schon Bescheid, sie würden sich freuen, wenn er mit ihnen redete und ihnen auf seine Weise erklärte, daß er nun wieder voll für sie da war. Die lange Zeit im Zuchthaus lag hinter ihm, und er hatte sie nur deshalb so gut aushalten können, weil er auch weiterhin den Kontakt mit der anderen Welt aufrechterhalten hatte und die Heiligen ihn nicht im Stich ließen, denn er war ihr treuer Diener.
Seine Hände lagen flach auf den Oberschenkeln. Er fühlte sich ungemein gut.
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