0933 - Die Horror-Mühle
Er dachte auch an die beiden Toten, die er zurückgelassen hatte. Das war seine persönliche Rache gewesen, es hatte nichts mit den Heiligen zu tun, aber die grausame Zeit begann erst jetzt richtig.
Er schloß die Augen.
Niemand störte ihn. Die Kinder waren ruhig. Auch von draußen hörte er kaum ein Geräusch, abgesehen vom leisen Murmeln des Bachs, an das er sich aber gewöhnt hatte.
Da dieser Raum zum freien Gelände hin lag, nahm er kaum wahr, wenn auf der Straße ein Wagen vorbeifuhr.
Die Gestalt erstarrte.
Ein Zuschauer hätte dies deutlich mit ansehen können. Sie wurde nicht kleiner, trotzdem war das Gefühl vorhanden. Sie sackte irgendwo weg, sie war nicht mehr so menschlich, wie sie noch vor einigen Sekunden ausgesehen hatte.
Der Verbrecher glich mehr einem sitzenden Standbild: er atmete nur noch flach.
Doch sein Geist war vorhanden. Er hatte ihn auf eine seltsame Wanderschaft geschickt.
Trotz seiner geschlossenen Augen drangen schwache Bilder in seinen Bereich. Er sah sie nur als finstere Schatten, aber sie waren vorhanden, und er selbst erweiterte seinen Blickwinkel auf Bühnenformat, in dem er sich als Mittelpunkt sah.
Er schickte seine Gedanken weg, weit weg. Hin zu ihnen, hin zu seinen Freunden. Er hatte nicht erst die Dunkelheit abwarten wollen wie früher in der Zelle, er wollte jetzt, am Tag, mit ihnen Kontakt aufnehmen, und er spürte, wie der Zwang ihn erwischte, endlich den Weg zu ihnen zu finden und sie zu locken.
Er tat es mit Worten. Seine Lippen bewegten sich, alles andere blieb starr. Zuerst drangen nur murmelnde Worte aus seinem Mund. Sehr dumpf gesprochen, als hätte er eine Sprache hervorgekramt, die es nur tief in der Vergangenheit gab.
Seine Worte klangen flehend. Er schickte sie der anderen Welt entgegen, die auch für ihn nicht sichtbar war. Doch er wußte, daß man ihn sah, und daß der Weg zurück bald frei sein würde.
Dann kamen sie.
Er wußte es.
Sie krochen heran. Sie waren lautlos. Die Heiligen der Finsternis brauchten nicht zu schreien und nicht laut zu sprechen. Er spürte bereits ihre Nähe und freute sich über dieses wunderbare Gefühl, das er so lange vermißt hatte.
Sie hatten ihn nicht vergessen.
Sie würden kommen.
Er hielt die Augen jetzt weit offen. Aber sie sahen nicht mehr so aus wie sonst. Sie waren verdreht, als versuchte dieser Mensch hier, in jede Ecke des Raumes zu schielen.
Stotternde Laute drangen aus seinem Mund. Die Zunge bewegte sich. Er schmatzte, er schlürfte wie ein schrecklicher Ghoul, und sein Körper zuckte dabei.
Die Hände lösten sich von den Oberschenkeln. Sie schlugen gegen den Boden. Fingernägel kratzten darüber hinweg, als wollte er das schmutzige Gestein aufrauhen.
Es war noch immer Alfons Buzea, der dort hockte. Aber er war trotzdem zu einem anderen geworden. Der fremde Einfluß, der Blick in die andere Welt hatte ihn verändert, so daß er wie ein Zombie wirkte.
Noch immer konnte er sehen. Irgendwo vor ihm, nicht in der Realität, aber trotzdem so real, bewegten sich die Schatten wie dunkle, zuckende Fahnen auf ihn zu, als wollten sie ihn in einer schon maßlosen Gier brutal verschlingen.
Sie waren schnell, sie waren gestaltlos, und sie hatten die Grenze zu ihrem Reich überschritten.
Jetzt waren sie bei ihm. Er stöhnte auf.
Einmal, zweimal. Es drang wie ein böser Stich durch seine Brust. In seinem Kopf dröhnte es, als wären kleine, böse Geister dabei, mit zahlreichen Folterwerkzeugen zuzuschlagen.
Das machte ihm nichts.
Er kannte es.
Die alte Zeit hatte ihn wieder, und es war auch an der Zeit, aus der Starre zu erwachen.
Keine Meditation mehr. Kein sich Versenken in eine fremde Welt. Er hatte die Brücke geschaffen. Seine Seele war schwarz genug, um die Schatten zu holen, und er brauchte auch nicht mehr auf seinem Platz zu bleiben.
Langsam stand er auf. Wie ein Mensch, der Schwierigkeiten hatte, auf die Füße zu kommen. Die seltsame Reise hatte ihn angestrengt und schwer mitgenommen. Er blieb gebückt stehen, seine Arme hingen nach vorn und pendelten sogar, als suchten sie Halt. Buzea bewegte sich in einem Halbkreis, keuchte und hatte Mühe, sich wieder normal hinzustellen.
Aber er schaffte es.
Diesmal konnte er tief Luft holen. Es ging ihm schon nach wenigen Atemzügen besser. Auf der Stelle blieb er stehen, aber er schaute nicht mehr nur in eine Richtung.
Langsam drehte er sich um.
Erfolg oder nicht? In den nächsten Sekunden würde sich diese Frage beantworten.
Die Schatten waren da.
Sie
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