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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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öffnete - weiße, verdrehte Augen - und abermals zu zittern begann!
    »Lockdown!«, schrie Rooney noch geistesgegenwärtig, bevor das Chaos, das Omar Little augenblicklich zu zaubern imstande war, ihn einmal mehr in seine kalten, gnadenlosen Klauen nahm. »Schließt alle Türen! Sperrt die Anlage ab!«
    Dann verschwand die Welt. Und Hank Rooney mit ihr.
    Das Letzte, was er für eine ganze Weile hören sollte, war das Plärren der Alarmsirenen.
    ***
    Bald.
    Matlock McCain spürte es. Bald war die Zeit da. Bald hatte er genug gewartet, hatten sich seine Kräfte wieder regeneriert. Geduld war eine Tugend, und in den letzten Jahrhunderten hatte der Druidenvampir gelernt, sie zu meistern.
    McCain kicherte leise, als sein Blick zu dem ohnmächtigen Auserwählten hinüberglitt. Seinem Schlüssel zur Quelle.
    Oh ja. Bald.
    Kapitel 6 - Lockdown
    Großer Gott, was war hier nur geschehen?
    Das Gebäude war ein schwarzer Koloss, ein sterbender Leviathan vor einem windzerzausten Nachthimmel, und sein Todeskampf riss die gesamte Welt aus den Fugen. Die beleuchteten Gitterfenster - viele blutverschmiert, viele zerschlagen, manche ebenso gefällige wie brutale Selbstmordhilfe für verwirrte Seelen - wirkten wie Opale aus Feuer in einer ewig scheinenden Finsternis. Blitze zuckten zwischen den immer dichter wehenden Wolken umher, die dem absurden Bild als Hintergrund dienten, und entrissen der Schwärze kurze Momentaufnahmen des Grauens. Schnappschüsse einer Wirklichkeit, die zu sehen Gryf sich nie gewünscht hätte.
    Er stand auf dem Vorhof, gleich neben dem verlassenen Pförtnerhäuschen, dessen unverschlossene Tür im Wind klappernd auf und zu schlug, und betrachtete das Chaos aus offenen Augen. Augen, die nicht verstehen wollten. Was hatte er nur falsch gemacht?
    Alles wirkte… ja, wie ferngesteuert. Sicherheitstüren aus Stahl öffneten und schlossen sich ohne Fremdeinwirkung, ruckartig. Mancherorts waren sie gegen Flüchtende geprallt, hatten binnen eines Augenblicks Knochen gebrochen, Schädel zertrümmert. Sie waren Mutanten aus Metall, die letzte Bastion, die sich noch gegen den Ausbruch der Eingesperrten aufzubäumen schien, und eine Gefahr mehr in einer Welt, die nur noch aus Gefahren bestand.
    Eine Handvoll Außenlampen flackerten ein neonhelles SOS über den Hof, als fürchteten sie sich davor, eine verbindliche Aussage zu treffen und sich für An oder Aus zu entscheiden. Auf dem verlassenen Parkplatz der Haftanstalt fuhren ein weißer VW Golf und ein alter Nissan gegeneinander an, ließen ihre Reifen qualmen, ihre Kühler aufeinanderprallen und zeichneten ein Gemälde des Wahnsinns auf den Teer, ein Kunstwerk aus verschmortem Gummi und ungezügelter Spontaneität. Niemand saß am Steuer der Autos. Niemand trat aufs Gas. Der Nissan sah aus, als wäre fahrtüchtig ein Wort, dessen Bedeutung er erst nachschlagen müsste. Und doch fuhr er. Direkt über den Leichnam eines Häftlings, dessen Gedärme bereits breit und matschig in einer blutigen Lache unter ihm lagen. Der Mann war braunhaarig gewesen, weiß. Orangefarbener Gefangenenoverall, schwarze Halbschuhe aus Plastik. Mehr konnte Gryf auf diese Entfernung nicht erkennen. Er bezweifelte auch, dass die Wagen mehr von der bedauernswerten Kreatur übrig gelassen hatten. Wer immer das war, weit hatte ihn sein Fluchtversuch nicht gebracht.
    Die Autos brausten weiter, störten sich nicht an dem Beobachter. Sie wirkten hungrig, so bescheuert das auch klang. Für einen kurzen Moment musste Gryf an die Raubtierfütterung im Zoo denken.
    Kalter Wind fuhr ihm durch die blonden Haare und zerzauste ihm die Frisur, die sich ohnehin seit jeher einem Stil verweigerte. Die texanische Nacht fuhr ihm über den Rücken, und ihre Finger waren eisig. Wie die gierigen Klauen eines Untoten.
    Irgendwo schrie jemand, fern und schrill hallten die Töne durch das Tosen des Windes herüber. Sinnfreie Sprechversuche; Laute, deren Inhalt nicht länger mit dem Verstand, sondern mit dem Bauch, mit dem Instinkt erfasst werden musste. Der Gesang der Nacht, und er wurde untermalt von der musikalischen Begleitung einer ganzen Armee von Alarmsirenen, Hupen, Warnschüssen… Kakofonie des Untergangs, dirigiert von ihm . Dem Ziel seiner Suche.
    Ich muss wieder rein , dachte der Silbermond-Druide. Hier draußen komme ich nicht weiter.
    Und ich hätte Little stoppen sollen, als ich vor ihm stand. Dann wäre dieses Elend nie wahr geworden.
    Es gab nur einen Weg, alles enden zu lassen und die Schuld zumindest

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