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0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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wie sich weitere Fahrzeuge näherten. Hauptgeschäftszeit, und der Junge wollte den Kundenkontakt auf ein Minimum runterfahren, bevor potenzielle Abnehmer seiner dreifach gepanschten Chemiekacke zur Konkurrenz wechselten.
    »Glaub ich gern«, sagte er grunzend und tat, als würde er in der Hosentasche nach der Börse kramen. »Wirklich ein guter Deal. Verkaufst viel von dem Zeug, nicht?«
    »Berge, Alter, Berge.« Der Kleine rollte mit den Augen, wirkte aber eher genervt als nervös. Sein Fehler. »Und jetzt mach hin, ich hab nicht den ganzen Tag Zei…«
    Er verstummte, sobald Hercs Dienstmarke im Sonnenlicht aufblitzte. Und seine schlanke Beretta gleich daneben. »Doch, das hast du«, sagte Herc und grinste triumphierend. »Sieht aus, als wäre dein Terminkalender für die nächsten fünf, sechs Jahre ganz plötzlich frei geworden. Drogenfahndung, du Scheißkopf. An die Wand und Beine breit!«
    Die Chica schnaubte abfällig, und selbst Herc musste sich eingestehen, dass Scheißkopf nicht gerade inspiriert gewesen war. Normalerweise kamen ihm Beleidigungen leichter von den Lippen.
    Er beugte sich vor, um die Fahrertür zu öffnen - die Wumme und den Blick nach wie vor auf den wie stocksteif dastehenden Burschen gerichtet - als er plötzlich merkte, wie… sein Sitz heiß wurde. Irritiert zuckte Herc zusammen. »Was zum Teufel…«
    Plastik tropfte auf seine Halbglatze, feucht, klebrig, kochend. Herc zuckte vor Schmerz zusammen, wagte einen Blick nach oben und sah, wie die Innenverkleidung des Autodachs schmolz. Dicke Blasen hatten sich bereits gebildet. Auch das Armaturenbrett schlug nun welche. Wie von Geisterhand betätigt, schaltete sich das Radio ein. Knöpfe, die kaum noch mehr als Bällchen dicklicher Flüssigkeit waren, drehten sich im Sendersuchlauf. Völlig perplex registrierte Herc, dass sein rechter Schuh auf dem Bremspedal festklebte.
    »Pass auf!« Die Chica schrie und rettete ihm damit vermutlich das Leben. Herc wirbelte herum, sah die Erkenntnis in ihren Zügen und begriff. Er war das. So unmöglich das auch klang. Er.
    Als Herc den Kleinen ansah, keuchte er auf. Das eben noch so kindliche Gesicht hatte sich zu einer Fratze des Hasses verzerrt. Die dunklen Augen im kastanienfarbenen Gesicht waren in sich gedreht, der Mund einen Schlitz geöffnet, das Kinn mit Spucke benetzt. Und er zitterte.
    Wie jemand, der sich unglaublich stark anstrengte. Sich konzentrierte.
    »Hau ab, Mann! Hau ab!« Die Tussi auf dem Beifahrersitz - Beifahrergrill , dachte ein irrationaler Teil von Hercs bisschen Verstand, und er musste lachen; es klang wie das Wiehern einer geisteskranken Hyäne - hyperventilierte fast vor Panik. Längst hatte sie versucht, Tür und Fenster zu öffnen, um herauszukommen, doch beide waren schon viel zu heiß, um sie zu bedienen, ohne sich dauerhafte Verbrennungen zuzuziehen. Mit ruckartigen Bewegungen streifte sie sich das viel zu enge Top über den Kopf, wickelte sich den Stoff um die Finger und versuchte es noch mal. Vergeblich. Das Auto blieb zu.
    »Du musst gegen die Tür treten«, wollte er ihr sagen, doch irgendwie gehorchte sein Mund ihm nicht mehr. Wie überhaupt nichts mehr so war, wie es sein sollte.
    Als Police Sergeant Herc Kincaid begriff, dass er noch immer am längeren Hebel saß und eine Waffe in der Hand hielt, war diese bereits so heiß geworden, dass er sie erschrocken fallen ließ.
    »Hau ab!«, schrie die Chica abermals, und diesmal reagierte er entsprechend. Ohne noch einen Blick auf den kleinen Dealer und seine beschissene Straßenecke zu verschwenden, riss Herc seinen Fuß von der Bremse - was diese mit einem lauten Schmatzen quittierte - und stampfte aufs Gas.
    Und der Wagen starb ab.
    Fenster beschlugen. Leder roch nach Fleisch, brutzelnd und warm. Während Herc noch ungläubig aufs Tachometer starrte, fuhr neben ihm sein Fenster wieder hoch, verriegelten sich die Türen endgültig. Und die Temperatur im Innern des Wagens, der zu ihrer beider Sarg geworden war, stieg weiter.
    ***
    Gryf materialisierte im Korridor des C-Trakts, genau wo er hingewollt hatte. Als hätte es das Zwischenspiel - die Vision, korrigierte er in Gedanken - nicht gegeben.
    Was hatte er da nur miterlebt? Das unrühmliche Ende eines korrupten Drogenfahnders, herbeigeführt durch den Willen eines offensichtlich übernatürlich begabten Knirpses…
    Natürlich! Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Er wusste genau, wer der Kleine in der fremden Erinnerung gewesen war. Ihn zu finden, war

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