Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0934 - Der Schlüssel zur Quelle

0934 - Der Schlüssel zur Quelle

Titel: 0934 - Der Schlüssel zur Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
Vom Netzwerk:
ihrer Nähe befand, und doch war sein Gesicht vor ihren Augen die Hoffnung, die sie brauchte, um das Chaos zu überleben.
    Keine Orientierung mehr. Jenny schwindelte; sie verlor das Gespür für oben und unten, vorne und hinten. Für die Wirklichkeit. Was immer gerade geschah, es überrannte sie, begrub sie unter sich wie ein Tsunami einen Schwimmenden.
    Omar. Die Erkenntnis traf sie mit einer solchen Wucht, dass Jenny körperlich übel wurde. Was es auch ist, es geht von Omar aus. Von seinem Anfall.
    Die Erinnerungen an die Gespräche, die sie mit den anderen Häftlingen geführt hatte, hallten in ihren Ohren wider. All die Gerüchte. All die Schuldzuweisungen. O'Reilly. Frobisher. Tot wegen Omar? Wegen Omars Anfällen?
    Falls das stimmte - und momentan hatte Jenny keinen Grund es zu bezweifeln -, war auch sie so gut wie erledigt. So gut wie tot.
    Wo war Rooney? Wo war Mike? Ging es ihnen genauso? Warum tat denn niemand etwas?
    Einen Moment später spürte Jenny eine vertraute Berührung an ihrem Hals. Mikes Hände. Hände, die sie des Nachts gehalten hatten, wenn die Albträume zu groß geworden waren. Nun aber drückten diese Hände zu, pressten ihr die Kehle ab und raubten ihr die Luft zum Atmen.
    Jenny Moffat war verloren.
    ***
    Gryf begriff nicht, was er sah - aber er handelte sofort. Instinktiv.
    Kaum materialisiert, hechtete er voraus, entriss die niedliche Blondine dem Griff des Mannes und drückte sie dem Stiernacken in die Arme, der im Flur stand und wirkte, als erwache er gerade aus einem Albtraum. Dann drehte er sich um, blickte zurück in die Zelle und sah, dass der Angreifer als Nächstes auf den Letzten der Anwesenden losging, einen schmächtigen Afroamerikaner in orangefarbener Häftlingskleidung. Der Gefangene lag auf einer Pritsche und zuckte und zitterte, als stehe er unter Strom. Dabei murmelte er Worte, die Gryf nahezu das Blut in den Adern gefrieren ließen. Worte wie Erbfolger , Hüterin, Vampir…
    War er etwa der Ruf, den Gryf vernommen hatte? Das war nicht McCain, war niemand, den Gryf kannte, aber der Silbermond-Druide brauchte das Gemurmel des Sträflings gar nicht, um zu ahnen, dass dieser Fremde der Grund seines Hierseins war. Sein Bauchgefühl sagte es ihm.
    Wer immer du bist , dachte er, du wirst mir einiges erklären müssen.
    Dann sprang er vor, riss den Weißen abermals von einem Opfer los - und im nächsten Moment war es vorbei, sanken der Mann, der Stiernacken und die Blonde wie aufs Stichwort zu Boden. Schweiß glänzte auf ihren Stirnen, und ihre Atmung ging pfeifend, unregelmäßig.
    Was zum Teufel war hier los? Wo war er überhaupt, und wer waren diese Menschen?
    Als Gryf den Gang hinunterblickte - Ein Gefängnis! Er befand sich im Inneren eines Zellentraktes! - sah er, wie zwei in weiße Medizinerkittel gewandete Pfleger auf ihn zurannten, einen Erste-Hilfe-Koffer in den Händen.
    Er ignorierte sie, kniete sich neben die Blonde und strich ihr die feuchten Haare aus der Stirn. »Mein Name ist Gryf ap Llandrysgryf. Freut mich, dass ich Ihnen helfen konnte. Aber was… Was geschieht hier eigentlich?«
    Sie blinzelte, schwach und erschöpft. Und dann murmelte auch sie ein Wort, das ihn schlucken ließ.
    »Zamorra.«
    ***
    Der Rest war keine große Sache. Die Pfleger kümmerten sich um die vier Menschen, und Gryf, der ihnen tatkräftig half, erfuhr alles, was er für den Augenblick zu wissen brauchte. Eine TV-Journalistin und ihr Kameramann, der Gefängnisdirektor und ein seltsamer Insasse namens Omar. Laut den Pflegern war er ein Epileptiker, doch Gryf hegte Zweifel, behielt sie aber wohlweislich für sich.
    Als die bezaubernde Blonde wieder halbwegs auf den Beinen war, nahm er sie zur Seite und sprach sie auf den Namen an, den sie gemurmelt hatte. Und Jenny, wie sie sich ihm gegenüber vorstellte, begann zu berichten. Von Dellinger's Point und von den Geschehnissen in der Huntsville Unit. Als Freund Zamorras hatte Gryf bei ihr gute Karten und wurde allumfassend informiert - und was er hörte, verblüffte ihn zutiefst.
    »Bleibt nur die Frage, warum dieser Omar all das weiß«, murmelte er, nachdem Jenny geendet hatte. »Und woher er die magische Energie nimmt, die seine Anfälle triggert.«
    »Dann war es wirklich das, was wir eben erlebten?«, fragte Jenny. »Ein… magischer Schub, der von Omar ausging?« Die Erkenntnis schien ihr in keinster Weise absurd oder undenkbar zu sein. Hübsch und vernünftig! Gryfs Sympathie für sie wuchs sekündlich.
    »Davon gehe ich aus«,

Weitere Kostenlose Bücher