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0936 - Schattentheater

0936 - Schattentheater

Titel: 0936 - Schattentheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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übergeordneten Geister es besser wissen. Sie sind subtil bis an die Grenze des Formlosen. Sie sind geheimnisvoll bis an die Grenze des Lautlosen. So sind sie Herr über unser Schicksal. Unser Trost muss sein, dass sie so nicht nur Herr über das unsere sind, sondern auch über das unserer Feinde.«
    Nicole seufzte frustriert auf. Tu, was wir wollen, und frag nicht nach , dachte sie verärgert. Irgendwie klingt das wie weiland Merlin oder Asmodis. Die wollen - oder wollten - auch immer, dass der Chef und ich etwas für sie tun. Aber sie haben nie gesagt, warum ihnen das so wichtig war.
    »Wieso kommst du dann darauf, dass ich etwas für deinen Herrn tun will? Oder auch nur tun kann?«
    »Der mir übergeordnete Geist ist auch ein Herr der Weisheit und des Schutzes. Er ordnet Dinge nicht ohne Grund an.«
    Dachte ich mir doch. Klingt genau wie Merlin seinerzeit. Warum müssen übergeordnete Wesen eigentlich immer so arrogant feudalistisch-autoritär sein? Gehorche mir oder stirb. Nicole versuchte, den Sarkasmus, der sie im Griff hatte, in ihrer nächsten Frage zu unterdrücken. Immerhin lief es in den meisten Fällen auch genau darauf hinaus: Entweder gehorchte man diesen übergeordneten Geisterwesen, Herren, oder wie man sie auch nennen wollte, oder man selbst beziehungsweise die Menschheit starb daran.
    »Was glaubt dein Herr also, das wir tun sollen?«
    »Wir werden nach CHAVACH suchen. Vielleicht ist er uns schon nah. Der mir übergeordnete Geist wird es besser wissen. Ich werde zu ihm gehen und Rat holen.«
    Nicole sah den Shinigami eine Weile an. Sie wusste nicht, was sie von diesem Totengeist halten sollte. Er gab sich wie ein Wesen, das auf der Seite des Guten stand. Wie sie. Alles, was er ihr gesagt hatte - jedenfalls was sie rudimentär daraus entnehmen konnte -, klang in sich plausibel.
    Aber was, wenn das alles eine hervorragend aufgestellte Falle war? Was, wenn der Shinigami, immerhin ein Geist, der offenbar eine gewisse Macht über menschliche Seelen hatte, auf der dunklen Seite des Multiversums kämpfte?
    Spontan fiel ihr ein Satz aus einem bekannten Buch ein. Ein Diener des Bösen würde freundlicher aussehen, aber finsterer denken , oder so ähnlich, hatte es da geheißen. Wahrscheinlich war das wirklich so. Außerdem hatte Nicole auch dieses Zimmer aus alter Gewohnheit mit einem für schwarzblütige Wesen undurchdringlichen Schild aus magischen Kreidezeichen versehen. Der Shinigami hätte gar nicht hier sein dürfen, wäre er schwarzblütig gewesen. Außerdem spürte sie ja selbst, dass sie etwas gegen CHAVACH unternehmen musste.
    »Also gut. Sag deinem Herrn, dem übergeordneten Geist, dass er auf mich zählen kann. Aber zuerst muss ich mich hier der Aufgabe widmen, wegen der ich vornehmlich gekommen bin.«
    Der Shinigami senkte sein Gesicht, sodass es sie jetzt wieder anlächelte.
    »Wir werden uns wiedersehen, Verehrte. Bis dahin seid gewiss, dass mein Herr nicht zulassen wird, dass Euch ein Leid geschieht, weder im Schlaf noch bei Eurer Aufgabe.« Damit verneigte er sich wie zu Beginn des Gesprächs und Nicole sah zu ihrem Erstaunen, dass die Gestalt immer durchsichtiger wurde. Wie Nebel, der sich in der Sonnenhitze auflöste.
    Schließlich lag die Zimmerecke wieder in tiefstem Schatten. Nicht einmal die Holzkonstruktion der mit Papier bespannten Wand war zu erkennen. Nicole hob die Leselampe, um die Dunkelheit auszuleuchten.
    Leer.
    »Shinigami?«
    Der Totengeist war verschwunden.
    Nicole seufzte. Zeit fürs Bett.
    Wollen doch mal sehen, ob der Shinigami recht hatte und ich wirklich was Gutes träume…
    ***
    Je mehr er trank, desto stärker wurde er.
    Er schlief nicht mehr, es war nicht notwendig. Auch wenn der Geist, der ihn früher kontrolliert und geschwächt hatte, am Rand seines Bewusstseins zu spüren war. CHAVACH spürte, wie er zog, Versuche unternahm, die Gewalt über ihn zurückzuerlangen. Er wehrte all diese Versuche mit einer spielerischen Leichtigkeit ab, die ihn selbst überraschte. Früher hatte er nie etwas gegen diesen Willen tun können, der ihn immer wieder unterwarf, ihn seiner Kraft beraubte und Zwang auf ihn ausübte.
    Doch das war lange her. Ein Tag, ein Leben, ein Äon.
    Er spürte, dass der Dämon, den er in seiner Gewalt hatte, selbst einen Menschen unterworfen hatte. Doch dessen Lebenskräfte waren bereits vom Dämon beinahe vollständig aufgebraucht worden. Als CHAVACH mit aller Macht, die er hatte, auf das seltsame symbiotisch lebende Zwitterwesen aus Dämon und

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