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0936 - Schattentheater

0936 - Schattentheater

Titel: 0936 - Schattentheater Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Picard
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war das schon gleich eine Falle…?
    ***
    Das Taxi hatte das Flughafengelände noch nicht verlassen, da war Nicole sicher, dass ihr Leben definitiv in Gefahr war.
    Doch die Gefahr ging nicht von Minamoto-san aus! Sie hatte an schlechtem Fahrstil schon in China einiges erlebt, aber was der Taxifahrer hier ablieferte, nötigte der an vieles gewöhnten Dämonenjägerin unwillkürlich Respekt ab. Das Armaturenbrett des Taxis gab offenbar einen Fieplaut von sich, wenn der Fahrer die vorgeschriebene Geschwindigkeit von 70 km/h überschritt - und so fiepte es bereits seit 5 Kilometern pausenlos. Genau genommen, seit der Fahrer die Parklücke vor der Ankunftshalle von Narita verlassen hatte.
    Nicole musste innerlich grinsen, während Minamoto-san einen Schwall wütend klingender japanischer Schimpfworte nach vorne warf, sobald er ihren Gesichtsausdruck und die weißen Knöchel ihrer zusammengeballten Hand am Haltegriff über der Tür gesehen hatte. Der Taxifahrer jedoch schien sich nicht darum zu kümmern. Statt einer Antwort warf er Minamoto-san durch den Rückspiegel einen verächtlichen Blick zu, drückte fest auf die Hupe, trat aufs Gas und steckte sich ein neues Kaugummi in den Mund.
    Nicole musste lachen. »Monsieur Minamoto, es ist in Ordnung. Bitte erzählen Sie mir doch, was sich im National Nô-Theatre seit Kurzem abspielt.«
    Minamoto-san nickte einmal, erwiderte den bösen Blick des Fahrers ebenso wütend und schloss die Scheibe zum Fahrer mit einem Knall. »Sie haben recht, Madame. - Nun, die Fakten sind schnell erklärt. Seit einer Woche steht ein Nô-Stück auf dem Spielplan des Theaters. Es ist ein Stück, das lange nicht aufgeführt wurde, da es ein wenig kürzer und nicht ganz so prächtig ist wie viele andere, die deshalb beliebter sind. Wie auch immer, es gehört zu den Gewohnheiten des Besitzers, des Nô-Spielers und Theaterdirektors Ieyasu Koichi, einige seiner Stammgäste nach einer solchen Aufführung in ein Teehaus zu einer Gesellschaft einzuladen. Auf dem Nachhauseweg ist, seit das Stück auf dem Spielplan steht, nach jeder dieser Festivitäten einer dieser Gäste als übel zugerichtete Leiche aufgefunden worden. Ieyasu-san macht sich natürlich Sorgen.«
    Nicole sah Minamoto-san nachdenklich an. »Im ersten Moment klingt das nach einem Serienkiller. Warum glaubt Ieyasu-san an einen Dämon?«
    »Der Shinto-Glaube, Madame, ist in Japan weit verbreitet«, erwiderte Minamoto-san nach einer kurzen Pause. »Viele Landsleute sind davon überzeugt, dass sich selbst in Städten Dämonen und Geister aufhalten, die den Menschen schaden wollen. Es gehört zu unserer Kultur, das ist sicher für eine eingefleischte Europäerin nicht ganz leicht zu verstehen.«
    Nicole zog die Augenbrauen hoch und erinnerte sich an einige Absätze aus ihrem Reiseführer. Den Japanern wurde darin ein gewisser Kulturchauvinismus nachgesagt - sicher nicht zu Unrecht, wie sie gerade hatte feststellen können. »Nun, Minamoto-san, meine Aufgabe ist, herauszufinden, ob es sich hier um einen tatsächlichen Dämonenangriff oder um eine Täuschung handelt.«
    Wieder verneigte sich Minamoto-san lächelnd. »Aber natürlich, Madame. Selbstverständlich müssen Sie das, dies ist der Grund, aus dem Sie hergebeten wurden. Allerdings hätte ich keinen Interviewer angefordert, wenn ich nicht selbst schon sicher wäre, dass Ieyasu-san mit seiner Vermutung recht hat. Gestatten Sie mir deshalb, Ihnen den Aufenthalt und Ihre Aufgabe hier in Tokio trotz der unangenehmen Pflichten so angenehm wie möglich zu gestalten.«
    Nicole lächelte. Es konnte ihr ja nur recht sein, wenn diese Theatergeschichte so leicht abzuhandeln war, wie Minamoto behauptete. Umso mehr Zeit blieb für die Suche nach dem Shinigami und die Jagd auf CHAVACH. »Ich gebe zu, dass ich mich sehr auf diese Reise gefreut habe.« Sie sah aus dem Fenster. Das Taxi raste jetzt durch einen Stadtteil von Tokio, der in etwa so aussah, wie sich Nicole die Großstadt immer vorgestellt hatte: riesige Wolkenkratzer voller bunter Reklametafeln in japanischen Schriftzeichen, Tausende von Menschen auf der Straße.
    »Dort hinten kann man übrigens den Tokyo Tower sehen«, sagte Minamoto-san und Nicole hörte überrascht den Stolz aus seiner Stimme heraus. »Für Sie als Parisienne ist sicher interessant, dass man sich für seinen Bau vor rund 50 Jahren am Eiffelturm orientiert hat.« Nicole konnte durch die Gebäudelücken immer wieder einen kurzen Blick auf einen rot angestrichenen Turm aus

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