0938 - Rabenherz
abzustreifen. Er versuchte es noch einmal, konzentrierte sich, stellte sich die Metamorphose bildlich vor. Ohne Erfolg.
Zeigte die M-Abwehr etwa doch noch Wirkung? Dämpfte sie seine magischen Fähigkeiten?
Da musste er feststellen, dass er sich auch nicht mehr bewegen konnte. Er wollte einen Schritt nach vorne machen. Den Arm heben. Den Kopf neigen. Nichts gelang!
Was geschah hier?
Die Antwort erhielt er nur Augenblicke später.
Eine unsichtbare Kraft packte ihn und drehte ihn um hundertachtzig Grad. Er stemmte sich dagegen, wollte sich wehren und war doch völlig machtlos.
Vor ihm stand eine schreckliche Gestalt. Statt der Nase zierten zwei senkrechte pulsierende Schlitze das Gesicht, das eine gespaltene Unterlippe und überwachsene Augenhöhlen noch zusätzlich verunstalteten.
McCain hatte mit der Kreatur noch nie etwas zu schaffen gehabt, doch er hatte bei seiner Begegnung mit dem anderen Crentz-Mädchen Anne vor zwei Monaten alles über ihn erfahren.
»Hallo«, sagte Krychnak.
Er hob die linke Klaue, mit der er einen kristallenen Dolch hielt.
Was willst du von mir? , versuchte McCain zu fragen. Doch seine Lippen bewegten sich nicht einen Millimeter.
»Wer hätte gedacht, dass ich dich ausgerechnet hier antreffe?«, fragte Krychnak im Plauderton. »Was ist mit dem Schutzschirm um das Schloss geschehen? Na, es soll mich nicht interessieren. Jetzt lieferst du erst einmal ab, was dir ohnehin nicht gehört.«
Mit diesen Worten hob er auch die rechte Klaue und machte eine heranwinkende Bewegung.
Die Kraft, die McCain umgedreht hatte, zog ihn auf den augenlosen Dämon zu.
Und er konnte sich nicht dagegen wehren!
***
Der Blitzeinschlag katapultierte den Raben von der Fensterbank und hinterließ einen Gestank nach verkohlten Federn.
Im nächsten Augenblick befiel Rhett ein schlechtes Gewissen. Der Vogel hatte gar nicht besessen sein können wie der Hund, der Dunja angegriffen hatte. Denn inzwischen hatte Zamorra die M-Abwehr wieder geschlossen. Das hätte das Tier nie überlebt, wenn Schwarze Magie es erfüllt hätte. Wie auf der Danielle Casanova war seine Wut mit ihm durchgegangen.
Er wollte aus dem Fenster sehen, ob er den Rabenkadaver unten vor dem Château trotz der hereingebrochenen Dunkelheit entdecken konnte, doch dann schwemmte der Anblick von Foolys Haut den Vorsatz davon.
Widerstreitende Gefühle erfüllten den Erbfolger . Sollte er sich freuen, dass der Jungdrache aus seinem Koma… nein, aus seiner Verpuppung erwacht war? Dass er sich vielleicht schon auf dem Weg zum Drachenland befand? Oder sollte er trauern, dass Fooly sich nicht verabschiedet hatte? Gab es dafür einen Grund? War alles in Ordnung mit seinem Freund? Waren sie überhaupt noch Freunde?
Rhetts Kinn und Unterlippe begannen zu zittern. Hastig biss er die Zähne aufeinander, dass Kathryne nichts davon bemerkte. Sie durfte ihn nicht für ein Weichei halten.
Würden sie sich eines Tages wiedersehen? Fooly und er? War Fooly dann noch ein angemessener Name?
Er schluckte hart und machte einen Schritt auf das Bett zu. Die Haut. Da lag sie. Die letzte Erinnerung. Rhett streckte die Finger aus, wollte über die Hülle streichen. Dann merkte er, dass seine Hand zitterte, und er zog sie wieder zurück.
Kathryne legte den Arm um seine Schultern. »Es geht ihm sicher gut!«
Rhett konnte nichts sagen.
Wie aus weiter Ferne hörte er Dunjas Stimme: »Es ist vielleicht der falsche Moment zu fragen, aber warum sollte diese Haut mein Leben gefährden?«
Weder Rhett noch Kathryne wussten darauf eine Antwort. Stille kehrte ein, während alle drei auf die Drachenhülle starrten und ihren Gedanken nachhingen.
Da ertönte eine Stimme. Leise nur drang sie durch das, was einst ein Fenster gewesen war. Sie klang wie knirschender Kies. Rhett erkannte sie sofort.
Krychnak!
Er stürzte zu dem Loch in der Wand. Im letzten Augenblick dachte er daran, die Scherben mit dem Ärmel wegzufegen, die auf dem Sims lagen. Dann beugte er sich hinaus, konnte aber niemanden sehen.
Die Stimme kam von links, also lehnte er sich noch weiter vor. Da entdeckte er sie! Krychnak und McCain! Hinter dem Nordturm. In so ungünstigem Winkel, dass er beinahe hinausfiel, wenn er sie beobachten wollte.
Machten die beiden Dämonen etwa gemeinsame Sache?
Da erst fiel ihm auf, was eigentlich gar nicht sein konnte. Sie befanden sich innerhalb der M-Abwehr!
Egal, darauf sollte er jetzt keinen Gedanken verschwenden. Stattdessen sollte er handeln!
Die Eindringlinge hatten
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