0942 - Die Prophezeiung des Uriel
Du könntest ihn nicht besiegen, wenn es zum Kampf käme, die Weißmagierin auch nicht.
Um ihn muss ich mich daher selbst kümmern. Überlass es getrost mir. Ich kann die Mächte, mit denen wir es hier zu tun haben, besser einschätzen.
Achte du nur weiter auf deine eigene Aufgabe. Du gehst ihr mit bewunderungswürdigem Eifer nach, mein treuer Diener. Sei meiner Gunst auch weiterhin sicher. Soll der Dunkle die Weißmagierin beobachten.
Das Lachen erklang erneut, wurde leiser und erstarb schließlich. Es wurde still. Keine Wesenheit irgendeiner Form war mehr in dem leeren Raum zu spüren. Der übergeordnete Geist hatte den Shinigami in dem unbestimmten Raum mit der unbestimmten Lichtquelle zurückgelassen. Der Totengeist fühlte sich nach wie vor unbehaglich, auch wenn er seinem Herrn unbedingt vertraute.
Doch dieses Mal dauerte es etwas länger, bis er die Finger auf den Boden legte und die Stirn zum Zeichen des Gehorsams und der Ehrerbietung darauf drückte.
***
»Du hast was ?« Gaston beugte sich vor. »Jetzt drehst du wohl völlig ab, was?«
»Immerhin funktioniert es jetzt wieder mit den Sitzungen!«, verteidigte sich Yasmina etwas überrascht.
Gaston lehnte sich auf dem Bett zurück und betrachtete Yasmina nachdenklich. »Ich weiß nicht so recht, was ich von der Geschichte halten soll. Klar verdienen wir gutes Geld. Aber irgendwie scheinst du mir echt zu sehr ins Esoterische abzudriften, Süße!«
Yasmina zog eine Grimasse. »Ich habe jetzt sieben Sitzungen abgehalten, bei jeder habe ich mehr als dreitausend Euro gemacht. Bei den ersten vieren erschien in einer Ecke eine engelsgleiche Gestalt. Das hat mir eine Mundpropaganda verschafft, die sensationell ist! Ich habe ungefähr zehn Anfragen für neue Sitzungen, nicht nur in Paris, sondern auch darüber hinaus! Auch die drei anderen Sitzungen sind erstklassig verlaufen. Egal, was ich auf den Boden male, egal, was ich singe, die Leute finden es toll. Ich bin offenbar von diesem Fluch befreit!«
Gaston griff sie von hinten um den Hals und zog sie auf sich. »Ich glaub dir ja, Schätzchen. Ich glaube nämlich nicht, dass du vor drei Wochen absichtlich Schwefel verbrannt oder faule Eier im Zimmer geknackt hast, oder?«
Yasmina lächelte. »Nein, natürlich nicht. Das kam, weil ich Ashmodai gerufen habe.«
»Ich hab mir mal dieses Zauberbuch geschnappt, das du aus Albertines Laden mitgenommen hast. Darin steht, dass, wenn man einen Dämon beschwört, das auch etwas kostet. Was hat dieser Kerl von dir verlangt? Gesetzt den Fall natürlich, dass ihr wirklich einen Deal gemacht habt.«
»Das war das Merkwürdige«, sagte Yasmina und starrte das Che-Guevara-Poster an der Wand an. »Er unterhielt sich mit mir, nachdem ich ihn gerufen habe, dann meinte er, er ginge eine Antwort auf meine Frage nach der Lösung des Fluchs suchen und würde sich wieder melden. Doch er kam erst vor drei Tagen einmal kurz vorbei, als du eben Zigaretten holen warst.«
»Das hast du mir gar nicht erzählt!«, meinte Gaston ein wenig unwillig und zog an einem ihrer Zöpfchen.
Yasmina warf ihm einen Blick zu. »Ich finde diesen Kerl nach wie vor unheimlich. Er tauchte ja auch nur kurz auf und fragte, ob sich die Dinge zu meiner Zufriedenheit entwickelt hätten. Als ich das bejahte, grinste er nur und meinte, er würde sich eine Gegengabe dafür vorbehalten. Ich solle mir aber keine Sorgen machen, es sei nicht meine Seele, es sei etwas, was mir viel mehr Spaß machen würde. Dann war er wieder weg.«
Gaston sah Yasmina seltsam an. »Klingt, als wolle er Sex.«
»Blödsinn!«, meinte Yasmina grob und schubste Gaston fort. Doch der fing sie lachend wieder ein und begann, sie zu küssen.
Yasmina gab nach. Doch kaum spürte sie, wie seine Hand unter ihre Bluse kroch, wurde ihr warm beim Anblick des Gesichts, das sie auf einmal vor ihrem inneren Auge sah.
Es war nicht das von Gaston, sondern das eines Geschäftsmannes in den besten Jahren mit glühenden Augen, der sich nahm, was er wollte. Yasmina spürte Hitze in sich aufwallen und drückte sich ein wenig enger an Gaston…
***
Er hatte wirklich vergessen, wie gut es war, wenn man einen Körper besaß. Aus der Vogelperspektive sah es immer so aus, als seien diese Wesen zu klein, viel zu begrenzt, um Macht spüren oder gar aufnehmen zu können.
Doch andererseits: Wie viel Wissen speicherte sich in manchen! Wie bunt, wie detailreich nahmen sie die Welt in sich auf! Das hatte er vergessen, das war eine Perspektive, die ihm völlig
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