0942 - Die Prophezeiung des Uriel
sind. Aber nach unserer letzten Niederlage CHAVACH gegenüber halten wir es für angezeigt, dass wir Ihren Weg beschreiten. Wir sind zu dritt. Wir könnten es meistern.«
Nicole nickte langsam. Das klang ja nun nicht unlogisch. CHAVACH hatte sich seit seiner Niederlage (oder war es nicht vielleicht doch ihre eigene? Immerhin hatten sie ihn immer noch nicht bezwungen) nicht mehr gerührt.
Doch auch wenn Nicole immer noch nicht wieder von ausgesprochenen Albträumen von CHAVACH geplagt worden war, die Träume von der Landbrücke wurden immer intensiver. So wie letzte Nacht! Sie hatte an der Lagune des Chinesischen Meeres gestanden. Kein Mensch war da gewesen. Nur zwei Statuen, die wohl die beiden Schöpfergötter Izanagi und Izanami darstellen sollten, hatten in der Nähe gestanden.
Plötzlich war es dunkel geworden. Dunkel und stürmisch, die Sonne war untergegangen und der Wind hatte das Meer aufgewühlt. Die beiden Statuen waren zum Leben erwacht und auf sie zugekommen, doch in diesem Moment war Nicole aufgewacht. Das Gefühl einer Gefahr hatte sie dabei nicht überkommen. Es hatte ihr beinahe leidgetan, dass sie aufgewacht war, sie war überzeugt, dass die Schöpferkami ihr etwas zu sagen hatten.
Ihr Wunsch, an die Nordküste von Honshu zu fahren, war immer dringender geworden. Vielleicht sollte ich dem geschenkten Gaul nicht ins Maul schauen, sondern die Gelegenheit beim Schopf packen und mit Minamoto dahin fahren.
Wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass da doch irgendetwas nicht stimmt.
Das Gefühl kam nicht aus ihr selbst. Es fühlte sich an wie von außen aufoktroyiert. Vielleicht der Shinigami? Er passt auf mich auf, wie er sagte. Und ich sollte in jedem Fall auf dieses Gefühl hören. Selbst dann, wenn es nur mein Bauchgefühl ist. Gerade dann!
Sie nickte langsam, antwortete Minamoto aber noch nicht.
Diesmal ergriff Madame Ichiko das Wort. »Madame, ich verstehe Ihre Skepsis. Unsere Entscheidung kommt sehr plötzlich. Aber ich mache Ihnen einen Vorschlag. Wir müssen nicht unbedingt zur Landbrücke nach Miyazu fahren. Man kann die Kami Izanagi, Izanami und ihre drei Kinder auch hier in Tokyo besuchen.«
Nicole sah sie stirnrunzelnd an. Stand sie nun auf der Seite ihres Neffen oder nicht? Nicole hätte sich da etwas mehr Klarheit gewünscht - vielleicht hätte sie so herausgefunden, ob sie sich das veränderte Verhalten von Minamoto nun einbildete oder nicht. Madame Ichiko lächelte. »Der Tempel des Susanoo steht ebenfalls hier in Tokyo. Vielleicht ist dies ein annehmbarer Kompromiss. Er ist klein und wird oft übersehen, denn der Gott des Sturms gilt nicht immer als sehr menschenfreundlich. Doch wir sollten es versuchen.«
Minamoto nickte eifrig. »Sehr richtig. In Susanoos Tempel hier in Tokyo ist eine Replik des Schwertes ausgestellt, das er den Menschen übergeben haben soll. Wir sollten dorthin und es uns ansehen. Mal sehen, was dann passiert. Vielleicht haben Sie Glück und können bereits etwas mehr Klarheit gewinnen?«
Nicole dachte nach. Das klang durchaus vernünftig und nicht gerade nach etwas, das gefährlich zu werden versprach. Sie dachte an den Traum zurück. Ich könnte den Shinigami fragen, ob er damit einverstanden ist und ob er unauffällig mitkommt. Mir selbst wird es vielleicht wirklich helfen.
»Nun gut«, sagte sie lächelnd und nahm noch einen großen Schluck von Madame Ichikos Tee, wie jeden Abend. Auf einmal glaubte sie sicherer als je zuvor, etwas Seltsames an Minamoto zu spüren. Etwas Dunkles. Machtvolles. Sie hob ruckartig den Kopf und starrte den kleinen Japaner an, doch nichts hatte sich geändert. Immer noch sah der kleine Mann sie zufrieden lächelnd an und unterschied sich in nichts von dem Gefährten, den sie in den letzten Wochen schätzen gelernt hatte.
»Ich ziehe mich jetzt zurück«, sagte sie dann freundlich und trank den Tee aus. Wieder schien in ihren Augenwinkeln ein Schatten an Minamoto vorbeizuziehen. Als sie hinsah, war nichts Außergewöhnliches zu erkennen.
Sie erhob sich und nahm die Teekanne mit in ihr Zimmer. Sie beschloss, in jedem Fall die Kreidezeichen in ihrem Zimmer zu verstärken, bevor sie zu Bett ging.
***
Mit einem Ruck fuhr Nicole hoch.
Es dauerte einen Moment, bis sie sich zurechtfand. Der Geschmack auf ihrer Zunge war pelzig und sie fühlte sich, als hätte viel zu lange geschlafen. Als hätte ich ein Schlafmittel genommen. Sofort dachte sie an den Tee. Sie blinzelte und sah auf ihren Wecker. Es war erst früh am Morgen.
Doch
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