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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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vorbei und stürmte auf die Bühne. »Das ist nicht fair!«, sagte er laut. »Derart auf das Grab eines guten Mannes zu spucken!«
    Fallon sah ihn an, als sei er ein sprechendes Auto. »Mr. Silverman?«, fragte er leise und warf seiner Programmleiterin einen nervösen Blick zu. »Wie nett, dass Sie reinschneien.«
    »George D'Aquino war…« Verflucht, dachte Neil, warum wurde ihm plötzlich so heiß? Lag das an den Scheinwerfern, die auf ihn gerichtet waren? Vermutlich. »Er war mein Freund, aus Studientagen. Wir hatten…«
    Abermals hielt er inne, wischte sich über die Stirn. Sie war schweißnass. Keuchend lockerte er den Knoten seiner Krawatte und sah dunkle Flecken auf seinem Hemd. »Ist das hier ein TV-Studio oder eine Sauna?«, murmelte er amüsiert.
    Fallons Augen weiteten sich. Der Moderator machte einen Schritt zurück, weg von ihm. »Neil? Geht es Ihnen gut? Wollen Sie ein Glas Wasser?«
    »Was? Nein, ich will nur betonen, dass George…« Neil schnaufte. »Ich meine, Amerika sollte einfach wissen, wie groß dieser Mann…«
    Himmel, was sollte diese Scheiße? Jetzt bekam er noch nicht einmal einen einfachen Satz beendet? Neil seufzte, hörte das Murmeln des Publikums. Hörte die Schreie.
    Und dann kam der Schmerz. Ein Ziehen und Stechen in der Brust, das sich rasend schnell ausbreitete. »Was…« Als er an sich hinabsah, merkte er, dass er qualmte ! Dünne weiße Rauchfahnen drangen durch die Fasern seines Hemdes. »Jimmy, was…«
    »Die Stadtväter!«, schrie eine Männerstimme aus dem Auditorium. »Es sind die Stadtväter!«
    In der ersten Reihe sprang eine Frau in blau geblümter Kittelschürze erschrocken auf - und verlor prompt das Bewusstsein. Hinter ihr drängte sich eine vierköpfige Familie panisch zum Ausgang durch. Fotohandys wurden gezückt, eingeschaltet.
    Und Neil Silverman stand da, sah sich an und verstand die Welt nicht mehr. Er hob die Hand, fuhr sich durch das zu glühen scheinende Gesicht - und bemerkte voller Entsetzen, dass die Haut weich geworden war. Wie geschmolzenes Wachs.
    Und klebrig.
    Himmel, was roch hier nur so verschmort? Warum eilten drei entsetzte Techniker mit Feuerlöschern auf ihn zu?
    Und weshalb schaltete nicht endlich mal jemand die verfluchten Scheinwerfer aus? Diese Hitze brachte einen ja um…
    ***
    Gegenwart
    Letzten Sommer, nach dem Junggesellenabschied seines Bruders, hatte Andy Sipowicz drei Stunden über der Toilettenschüssel gekniet und gekübelt. Mehr, als er für möglich gehalten hatte. Damals war ihm, als müsse er kotzend sterben, als habe er den Begriff Übelkeit ganz neu definiert.
    Verglichen mit dem, wie er sich nun fühlte, war dieser verkaterte Vormittag ein Spaziergang im Central Park gewesen.
    Vor ihm auf den zwei silbern glänzenden Tischen lagen die Leichen. George D'Aquino und Neil Silverman, beide so schwarz und verkohlt wie Steaks, die man auf dem Grill vergessen hatte. Verbranntes Fleisch, Augen wie pochierte Eier aus Gallertmasse; vereinzelte Haarbüschel auf spröden Schädeln, die an ausgetrocknete Wüsteneien erinnerten. Das gleißende Licht der Neonröhren an der Decke des gerichtsmedizinischen Labors brachte jedes grauenvolle Detail zutage, überließ nichts der Fantasie des Betrachters.
    »Heilige Scheiße…« Lieutenant Steven Zandt grunzte leise und strich sich über zwei seiner drei Kinns. »Sieht ganz so aus, als hätten wir es mit einem Serientäter zu tun. Haben wir schon eine Ahnung, wie er das hinbekommt?«
    Diane Millerton lächelte wissend. »Haben wir, aber sie wird Ihnen nicht gefallen.«
    Der Lieutenant hob die Brauen.
    »Es gibt kein Gift und keine Waffe, die einen Menschen dazu bringt, von innen heraus zu verbrennen - ohne äußere Einwirkung«, fuhr Millerton fort. »Gibt. Es. Einfach. Nicht. Das ist unmöglich.«
    »Und doch…« Zandt deutete widersprechend auf die verkohlten Überreste.
    »Und doch brauchen wir eine Erklärung«, stimmte die Medizinerin zu. »Denn was immer dahinter steckt, die Ergebnisse sind unzweifelhaft.«
    Jetzt fang du nicht auch noch mit den Stadtvätern an , dachte Andy ungläubig. Schlimm genug, dass die Presse sich nicht mehr einkriegt vor Para-Ekstase. Und mal von den Spinnern draußen vor dem Haus ganz abgesehen.
    Diane atmete tief durch. »Wenn Sie mich also um eine Einschätzung bitten: spontane Selbstentzündung. Alles andere ergibt keinen Sinn.«
    »Bitte was ?«, platzte Andy heraus. »Spontane - Sie meinen Leute, die aus heiterem Himmel verbrennen? Coroner, das glauben Sie

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