0943 - Herren aus der Tiefe
forderte Jenny ihn auf. »Ich dachte, Sie und Zamorra jagen noch immer diesem Vampir hinterher, diesem McCain. In Texas machte es zumindest den Eindruck, als hätten sie die eine oder andere Rechnung mit ihm offen.«
Das war eine Untertreibung, aber auch nicht das Thema, wegen dem er nach New York gekommen war. »Um ehrlich zu, sein, bin ich wegen Ihnen hier«, gestand er leise. »Sie… Na ja, Sie gehen mir irgendwie nicht mehr aus dem Sinn.«
Jenny hob die Brauen, das Gesicht ein einziges Fragezeichen. Irgendwo quäkte eine Lautsprecherstimme was von einfahrenden Zügen.
»Machen Sie das immer so?«, fragte die Journalistin bedrohlich leise. »Ist das Ihre… Ihre Superheldenmasche, oder wie immer man das nennt? Einfach aus dem Nichts erscheinen und so lange auf Retter machen, bis die Kleine merkt, was gut für sie ist? Mal ehrlich, Mister Landsgryf, oder wie Sie auch heißen - glauben Sie wirklich, damit Erfolg zu haben?«
»Nun, wenn man es so formuliert…«, setzte Gryf zu einem Protest an.
Doch sie ließ ihn kaum in Fahrt kommen. »Wie denn sonst? Was Sie da betreiben, ist Stalking reinster Sorte - und Ihre übersinnlichen Fähigkeiten setzen dieser Aufdringlichkeit noch die Krone auf. So gesehen sind Sie kaum besser als der schmächtige Freak, der mich hierher gejagt hat.«
»Der Freak, den ich durch meine schiere Anwesenheit vertrieb, richtig?«, hielt Gryf entgegen und schenkte ihr sein charmantestes, lausbubenhaftes Lächeln. Es wurde dringend Zeit, dass er diesem Gespräch die Schärfe nahm, sonst konnte er sich die Chance darauf, Jenny Moffat endlich ein wenig näher kennenzulernen, in seine sich wie stets jeglichen Frisurversuchen widersetzenden Haare schmieren. »Ich will Ihnen nichts, Jenny«, beteuerte er sanft und aufrichtig. »Wirklich. Nur Hallo sagen. Sehen, wie es Ihnen geht. Was die Träume machen.«
Der letzte Satz hatte seinen Mund kaum verlassen, da wusste Gryf, dass er abermals eine Grenze überschritten hatte.
Jennys sonst so sanfte Züge sprachen Bände. »Von wem oder was ich träume, geht Sie und Ihr Dämonenjägerteam einen feuchten Kehricht an«, zischte die junge Frau und strich sich eine Strähne ihres knapp schulterlangen blonden Haares aus der Stirn. »Und ich brauche auch keinen Bodyguard, falls das Ihr nächstes Argument sein sollte. Ich komme gut ohne die Hölle und Konsorten zurecht. Richten Sie dem Professor meine Grüße aus, aber bitte gehen Sie jetzt. Wir haben nichts mehr zu besprechen.«
Gryf seufzte leise und erhob sich. Ein Mann musste wissen, wann er verloren hatte und zu weit gegangen war, und im Falle von Jenny Moffat hatte der Druide vom Silbermond durch einen dummen Zufall und sein vorlautes Mundwerk eben alles versiebt, was er hatte versieben können. »In Ordnung. Tut mir wirklich leid, Jenny. Und - Halten Sie einfach die Ohren steif, ja?«
Erst jetzt bemerkte er, dass sie gar nicht mehr auf ihn achtete. Mit weit aufgerissenem Mund starrte sie geradeaus auf den Monitor in der hinteren Wand der U-Bahn-Station. Neugierig geworden, drehte auch Gryf sich danach um. Die Schlagzeile, die hinter dem gut aussehenden Moderator durchs Bild lief, ließ ihn erschrocken die Luft einziehen.
»Stadtväter schlagen erneut zu«, stand da in blutroten, effekthascherischen Lettern geschrieben. »Zweites Mordopfer in NYC gefunden. Holt mythische Vergangenheit den Big Apple ein? Wer ist noch sicher?«
Überall waren die Passanten stehen geblieben und blickten - manche ungläubig, andere sichtlich erschüttert - auf das Bild. Gryf sah Leute, die ihre Handys auspackten und ihre Lieben anriefen. Mütter, die ihre Kinder an die Hand nahmen und näher zu sich zogen. Menschen, die derart eiligen Schrittes den Bahnhof verließen, als sei LUZIFER persönlich hinter ihnen her. Was immer diese Nachricht besagte, sie schien die New Yorker merklich zu berühren - und teilweise sogar zu verängstigen.
Gryf blinzelte. »Stadtväter? Verzeihen Sie, Jenny, aber ich fürchte, das werden Sie mir noch erklären müssen.«
Kapitel 3 - Rockefeller Roast
Zwei Stunden zuvor
Das GE Building war noch nie ein Ort gewesen, an dem sich Sergeant Andy Sipowicz gerne aufgehalten hatte. Dafür trieben sich in und um das neuntgrößte Bauwerk der Stadt schlicht zu viele Fernsehfuzzis herum, und mit deren wichtigtuerischem Gehabe konnte er einfach nicht umgehen. NBC, eines der ältesten und führendsten Networks des gesamten Landes, hatte Büros und Studios im GE gemietet, das aufgrund seiner
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