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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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seit Jahrzehnten verschollenen Dokument aus dem Nachlass der Gesellschaft.«
    »Danke für die Nachhilfestunde«, brummte Moffat ungehalten. »Aber keiner von Ihnen hat meine Frage beantwortet: Was hat all das mit D'Aquino und Silverman zu tun?«
    Andy seufzte. »Hoffentlich nichts.«
    »Aber vermutlich alles«, ergänzte Gryf trübselig.
    Auf einmal riss Jenny die Augen auf und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Natürlich! New Yorker Stadtgeschichte! Die West India Company! Sie meinen, dieses alte Firmenemblem dort unten im Bühnenboden könne als Beweis dafür gelten, dass die Morde auf die Geschichte Manhattans zurückgehen. Auf die Stadtväter.«
    Andy nickte besorgt. »So wird es die Presse zumindest darstellen - nun, da diese Katze dank der NBC-Sendung endgültig aus dem Sack ist. Und das Volk glaubt, was ihm die Medien eintrichtern, Miss Moffat. Das muss ich Ihnen ja nicht sagen.«
    ***
    Das Licht des jungen Morgens fiel zwar durch die Butzenscheiben, konnte das Innere des Molloy's aber nicht beeindrucken. Der urige Pub blieb im Dämmerzustand, wie sehr sich die Sonne auch anstrengte.
    Nur wenige Tische waren besetzt. Jenny, Gryf und der Sergeant hatten sich einen im vorderen Bereich gewählt, von wo aus sie hinaus auf die andere Straßenseite blicken konnten. Dort, vor den Pforten des Polizeihauptquartiers, gingen die Freaks gerade in Tag Zwei ihrer Mahnwache über.
    »Die sind in Ekstase«, brummte Andy. »Die Post und andere Schmierblätter haben die Stadtväter-Geschichte heute Morgen noch weiter angeheizt, und die Zahl der Spinner, die auf den Zug aufspringen, wächst nahezu sekündlich. Die Morde sind das Thema der Stunde, ein Gottgeschenk für die unter dem Sommerloch leidende Presse hier - und für diejenigen, die ohnehin schon immer an die Existenz der Götter von New Amsterdam glaubten, sind sie ein Beweis dafür, mit diesem Glauben richtig zu liegen.«
    »Klingt, als hätte diese Geschichte schon Tradition«, sagte Jenny und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. Das Getränk war heiß und stark - genau das Richtige nach einer durchwachten Nacht.
    »Tradition und eine große Fanbasis«, erwiderte der Sergeant nickend. »Es existiert eine regelrechte Subkultur. Kultisten, Spinner, fehlgeleitete Gothfreaks. Die Hartgesottensten von ihnen hausen unten in längst aufgegebenen U-Bahnschächten und an ähnlichen Orten. Dort huldigen sie ihren Idolen, ihren Göttern. Sie glauben, diese Monsterviecher sind real und wachen über die Stadt. Und dann…« Er hielt inne. Jenny spürte, wie schwer es ihm fiel, weiterzusprechen. »Das ist eine regelrechte Welt für sich da unten, Miss Moffat«, sagte er schließlich und sah sie Hilfe suchend an.
    »Jenny«, sagte sie. »Nennen Sie mich Jenny. Und das ist Gryf.«
    Sipowicz nickte. Die freundliche Geste schien ihn ein wenig zu beruhigen. »Sie halten da Rituale ab. Schwarze Messen, in gewissem Sinne. Um den Stadtvätern gefällig zu sein. In meinen ersten Tagen bei der Truppe hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, eine solche Versammlung sprengen zu dürfen. Wir waren fünf Mann, eine Sondereinheit des NYPD, und wir hatten den Tipp von einem Perser, der auf der 38. Straße illegal mit Ziegen handelte. Wir hatten ihn auffliegen lassen, und um sich ein wenig Strafnachlass zu verschaffen, zwitscherte das persische Vöglein nur so heraus und erzählte uns, wo wir die Freaks finden konnten.«
    »Ziege?« Gryf runzelte die Stirn. »Sie meinen Tieropfer?«
    Andy schluckte. »Ich hab ja schon viel gesehen, seit ich Polizist wurde. Aber diese Nacht vergesse ich nie. All das Blut. Nackte Menschen, knietief in Tierorganen… Sie tranken aus dem dampfenden Leib der armen Kreatur, Gryf! Können Sie sich das vorstellen?«
    Der Druide schwieg, doch in seinen Augen glaubte Jenny die Gewissheit zu finden, dass er sich noch viel Schlimmeres vorzustellen vermochte. Weil er es selbst gesehen, selbst erlebt hatte.
    »Und doch glauben Sie nicht daran«, sagte sie schnell, um Andy von seinen Erinnerungen abzulenken. »Dass dieses Loch-Ness-Monster real ist. Dass die Morde aufs Konto übernatürlicher Wesenheiten gehen.«
    Sipowicz nickte. »Ich bin Realist, Miss Moff- Jenny. Das macht dieser Job aus einem. Wer in NYC Dienst tut, sieht jeden Tag aufs Neue, zu welchen Abscheulichkeiten unsere Spezies imstande ist. Glauben Sie mir: Wir Menschen brauchen keine Dämonen, um Böses zu tun. Grausamkeiten bekommen wir mühelos selbst hin.«
    Jenny dachte an früher, an Texas und

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