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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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U-Bahnschacht. Fünf zugedröhnte Freaks in Kutten standen neben ihnen und traktierten sie mit Messern, und das Licht und die Geräusche, die sie wahrgenommen haben, stammten von nichts anderem, als einer einfahrenden Bahn, die Sie und Ihre verrückten Peiniger in knapp einer halben Minute zu Brei zermanscht hätte. Mehr war da nicht.«
    Immer noch leicht benommen, setzte sie sich aufs Bett und fuhr sich durch das nasse Gesicht. »Dann war alles andere…«
    »Drogenwahn.« Gryf nickte. »Was immer diese Freaks benutzen, es muss eine immense Wirkung haben.«
    »Ich… ich erinnere mich daran, wie heiß mir war. Wie sehr ich die Ankunft der Götter New Amsterdams körperlich spüren konnte.«
    »Weil Ihr Metabolismus und Ihre Fantasie es Ihnen vorgaukelten. Wir brauchten einen Arzt, um genauer zu sein, doch glauben Sie einem alten Druiden, der vor Ort war und einige Erfahrung mit rituellen Opfern hat: Daran war nichts übersinnlich. Einfach nur eine Handvoll breiter Spinner, die ihren Hokuspokus im falschen Tunnel abhielten und Sie dabei mit mehr Stoff vollpumpten, als Sie in Ihrem gesamten Leben auf einmal genossen haben werden.«
    Jenny stand auf und trat zum Fenster. »Also nichts als überreizte Nerven.«
    »Und das zweifelhafte Vergnügen, eine Stresssituation sondergleichen im Rausch zu erleben«, ergänzte er. »Machen Sie sich keine Vorwürfe, Jenny. Unter den Umständen hätte selbst Sherlock Holmes nicht mehr gewusst, was real und was Einbildung ist.«
    »Was machen wir jetzt?«, fragte sie, ohne den Blick von dem atemberaubend schönen Panorama abzuwenden. »Wir sind keinen Schritt weiter. Wenn man mal davon absieht, dass die Existenz der Stadtväter gerade ein Gutteil unwahrscheinlicher geworden ist.«
    Ihr sachlicher Tonfall gefiel ihm. Er bewies, dass sie mehr und mehr zurück zu sich fand. »Nun, deswegen habe ich Sie hierher gebracht. Damit Sie sich die Beschmierungen vom Leib waschen und etwas Neues zum Anziehen finden.« Dabei deutete er auf den offenen Schrank. »Ich dachte mir, Sie würden ungern ohne alles bei Macy's auftauchen und neue Kleidung einkaufen.«
    Jenny drehte sich um. Als ihr Blick auf den Schrank fiel, wurden ihre Augen groß. »Das sind aber unmöglich Ihre Sachen, Gryf.«
    »Hab ich das behauptet?«
    »Und wenn schon der Schrankinhalt nicht Ihrer ist - wem gehört dieses Zimmer?«
    Er grinste unschuldig. »Keine Ahnung. Aber es hat fließendes Wasser und ein kleines Sortiment an Frauenkleidung. Für den Moment sollte das genügen, finden Sie nicht?«
    Jenny stützte sich am Fensterrahmen ab und ließ ihren Blick durch den edel eingerichteten Raum schweifen. »Das ist Einbruch. Schon wieder. Wir befinden uns in einem fremden Hotelzimmer - und Sie erwarten ernsthaft von mir, dass ich unseren unfreiwilligen Gastgebern auch noch Kleidung stehle?«
    »Wenn Sie wollen, können Sie gerne Ihre Kreditkarte hier lassen. Aber in Notfällen gelten andere Regeln, Jenny. Sobald Sie sich neu eingekleidet haben, bringen wir die Sachen zurück, okay?«
    Sie schwieg so lange, dass Gryf schon glaubte, sie verloren zu haben. Dann aber nickte sie und trat zum Schrank.
    »In Ordnung, aber es ist nur geliehen, klar?«
    »Klar«, bestätigte er grinsend. »Das werden die gar nicht merken.«
    Jenny warf ihm einen Blick zu, bei dem schwächere Geister vor Scham im Boden versunken wären. »Drehen Sie sich um«, befahl sie und begann, an ihrem Badetuch zu zerren. »Wenn wir weiter ermitteln wollen, muss ich mir erst etwas anziehen.«
    Sag ich doch die ganze Zeit , dachte er, biss sich aber auf die Zunge und tat, wie geheißen. Abermals betrachtete er die Wolkenkratzer und den Park jenseits der Fensterscheiben. Jennys Reflektion auf dem Glas ignorierte er, so gut es ihm gelang.
    »Freut mich übrigens, dass die halluzinatorischen Auswirkungen der Droge wieder abgeklungen sind«, sagte er. »Oder kommt es Ihnen immer noch so vor, als stimme etwas mit der Welt nicht?«
    Spiegel-Jenny, die gerade in eine Jeans und ein graues Sweatshirt schlüpfte, schnaubte leise. »Na ja, lassen Sie mich nachdenken. Ich stehe halb nackt in einem fremden Hotelzimmer und stehle anderer Leute Kleidung, während ein außerirdischer Druide sich alle Mühe gibt, mich nicht merken zu lassen, dass er mich im Fenster sehen kann. Nein, ist alles wie immer.«
    Diesmal fand sogar Gryf, dass ein Versinken im Boden durchaus angemessen gewesen wäre.
    ***
    Hubert P. Ellman III. war genau so, wie Andy ihn sich vorgestellt hatte: aalglatt,

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