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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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die… die sie entführt hatten. Menschen, wie der Freak mit den Flyern. Der, der sie bereits zweifach verfolgte. Und falls das zutraf…
    Plötzlich ahnte sie, wo sie war. Und die Erkenntnis machte ihre Lage nicht gerade angenehmer.
    (Drogen - das sind nur die Drogen - man hat mir irgendein die Sinne verwirrendes Mittel gegeben)
    Nun, da sie wusste, wonach sie zu suchen hatte, bekam der wabernde Raum Struktur. Etwa zwei Meter über sich machte sie mit ein wenig Mühe eine gewölbte, längliche Decke aus. Zerschlagene Kacheln und schmutzig-weißes Gestein, ein paar zerstörte Lampen. Und es war kalt hier. Unwirklich, widernatürlich kalt. Wie in einem Grab.
    Das war ein verlassener U-Bahnschacht. Darangab es keinen Zweifel. Sie befand sich in einem der Schächte, von denen Andy im Molloy's berichtet hatte. Dort, wo die Freaks ihre Rituale abhielten.
    Und diesmal war sie der Ehrengast.
    Erinnerungen an Andys Bericht schossen in ihren Geist. Bilder von geopferten Ziegen, von wahnsinnigen Kultisten, die unter der Metropole ihrem Hirngespinst von Stadtvätern frönten und dafür über Leichen gingen.
    Abermals kämpfte die Journalistin gegen ihren Knebel. Sie musste sprechen, musste an die Vernunft dieser Irren appellieren, einen Kompromiss aushandeln oder wenigstens Zeit schinden und das Unvermeidbare aufschieben. Sie musste leben , verdammt noch mal! Für Mike.
    Doch die Klingen wanderten weiter. Je klarer Jennys Sinne wurden, desto mehr reagierte ihr Körper auf diese unmittelbare Bedrohung. Reglos lag sie da, bot den spitzen Waffen so wenig Widerstand wie möglich - und zuckte schmerzhaft zusammen, wann immer eine dennoch ihre Haut ritzte.
    »Alles für sie«, stimmte die erste Stimme ein, und plötzlich glaubte Jenny, in dem Schemen links von ihr, die Umrisse des Flyer-Typen wiederzuerkennen. Vermutlich gab er hier den Anführer, Hohepriester oder wie auch immer diese Irren ihre Oberen nannten. »Alles für sie.«
    »Alles für sie«, wiederholten die anderen unisono. Der Satz wurde zu ihrem Mantra. Er hallte von den Wänden des Schachtes wider, ein Echo in dieser von allen guten Geistern verlassenen Tiefe. Alles für sie. Man musste kein Hellseher sein, um zu wissen, wen sie damit meinten.
    Aus dem Chaos vor Jennys Augen erschien eine Hand. Bizarr verformte Finger näherten sich ihrem Gesicht, und auf ihnen lag etwas Glühendes, Qualmendes. Jenny wehrte sich nach Kräften, doch der schweflige Rauch schlug ihr ins Gesicht, stieg in ihre Nase…
    ... und die Hand verschwand.
    Trotz der Kälte spürte Jenny auf einmal eine unbeschreibliche Hitze in sich aufsteigen. Übelkeit machte sich in ihr breit, und ihr war, als habe sie gerade eine Runde im Tourbus des Deliriums gebucht.
    Dann hörte sie die Laute.
    »Sie kommen!« Die Frau war die erste, die es aussprach, doch sie fühlten es alle. Jenny fühlte es.
    »Sie kommen tatsächlich!«
    Unmenschliches Zischen erklang. Ein Schnaufen und Knurren, das aus Tausend Kehlen gleichzeitig zu stammen schien, drang aus der dunklen Ferne zu ihnen, aus der Tiefe des verlassenen Bahnschachtes.
    Hektik machte sich zwischen Jennys Entführern breit. Dies war ihr Moment, die Frucht ihrer Arbeiten. Sie hatten offensichtlich nicht vor, kurz vor dem Ziel einen Fehler zu begehen.
    Aus schreckgeweiteten Augen starrte Jenny voraus und sah, wie sich bizarre Schemen aus der Schwärze formten, die hinter der Gruppe von Freaks lag. Ein widernatürliches grünliches Leuchten stieg aus der Tiefe der Erde - ein Licht, wie Jenny auf dieser Welt noch keins gesehen zu haben glaubte. Humanoid anmutende Gestalten schwebten in ihm wie Silhouetten, dürre und hohe Körper mit schmalen Schädeln und Händen, die in langen, eispickelspitzen Krallen endeten. Sie streckten sie ihr entgegen, näherten sich mit jedem verstreichenden Augenblick, wurden realer und realer…
    Es passiert wirklich! Großer Gott, es ist alles wahr!
    Jenny Moffat spürte die Hitze der Hölle, die mit den Wesen aus den Tiefen der Metropole gekommen war. Spürte die Opferdolche der Kultisten auf ihrem nackten Körper. Spürte den Schmerz in ihren Armen und Beinen, die Angst in ihrem wie wild pochenden Herzen.
    Dann schloss sie die Augen.
    Dachte an Mike.
    Dachte an gar nichts mehr.
    Bis sich mit einem Mal zwei kalte Hände unter ihren Rücken schoben, Arme sie umklammerten… und die Welt endete.
    Kapitel 8 - New Amsterdam
    Als das Handy klingelte, stand Andy Sipowicz gerade an der Kreuzung Sixth Avenue und 40. Straße West und

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