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0943 - Herren aus der Tiefe

0943 - Herren aus der Tiefe

Titel: 0943 - Herren aus der Tiefe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Gryf ap Llandrysgryf zweifellos vieles vorwerfen, aber nicht, dass er mit seinen Ansichten lange hinterm Berg hielt. Für den Moment sprachlos, starrte die Journalistin aus dem Beifahrerfenster und betrachtete die Schaufensterdekoration einer kleinen Boutique, vor der sie parkten.
    Ob er eine Erwiderung von ihr erwartete? Wenn ja: Was sollte sie sagen? Wie machte man einem Wesen aus einer anderen Welt verständlich, dass man vergeben war, wenn eben dieses Wesen keine Gelegenheit ausließ, selbige Information schulterzuckend abzutun?
    Sipowicz' Stimme, die quäkend aus dem kleinen Funkgerät unterhalb des Autoradios plärrte, rettete sie aus ihrer misslichen Lage. »Er ist hier«, meldete der Sergeant sachlich, doch Jenny hörte die Anspannung in seinen Worten. »Die Show geht los, Leute.«
    Gryf nahm das Mikro in die Hand. »Verstanden, wir kommen rüber.« Dann startete er den Motor und fädelte sich in den abendlichen Verkehr ein.
    ***
    »Verfluchte Scheißkarre.« Andy Sipowicz schaltete, dass das Getriebe krachte, schlug das Lenkrad nach rechts und bog so schnell um die Kurve, dass Jenny trotz Sicherheitsgurt gegen die Scheibe im Beifahrerfenster knallte. »Wer hat dem Typen eigentlich gesagt, dass er Gas geben soll, hä?«
    Die schwarze Limousine, der sie seit knapp einer halben Stunde folgten, war keinen halben Block voraus, hätte aber genauso gut auf dem Mond sein können. Sie huschte durch den Verkehr außerhalb der Metropole, als wäre er Luft für sie. Haarscharf zischte sie an fahrenden Autos vorbei, brachte Passanten zu Fall und ließ Taxifahrer erschrocken auf die Bremsen gehen. Wer immer da fuhr, er schien mit dem Leben abgeschlossen zu haben.
    Oder er legte keinen Wert auf Verfolger.
    Die Fahrt aus der Stadt hinaus hätte eigentlich Stunden gedauert. Dicht an dicht standen die Wagen auf den Avenues und Straßen. Doch der Fahrer der Limousine schien sich keinen Deut darum zu scheren. Ampeln ignorierte er, Fußgängerüberwege hatten für ihn keinerlei Bedeutung. Und er raste!
    Siebzig Meilen pro Stunde, achtzig. Höher und höher stieg die Tachonadel. Jenny sah die Schweißperlen auf Andys Stirn.
    »Und das in Downtown Manhattan«, murmelte der Sergeant fassungslos und schwenkte gerade noch rechtzeitig nach links, um den Passanten auszuweichen, denen er fast über die Füße gebrettert wäre. »Warum verfolgen wir den Spinner noch einmal?«
    »Weil wir wissen wollen, wo er hin will«, antwortete Gryf vom Rücksitz. Der Silbermonddruide wirkte so entspannt, als befände er sich auf einem Sonntagsausflug. »Unser Mister X hat nur einen Handlanger zu Ellman geschickt, um das Dokument abzuholen, ganz wie Miss Moffat es vermutete. Und nun folgen wir ihm, damit er uns zu - wie heißt das in diesen B-Movies immer? - zu seinem Anführer bringt.«
    »Nur scheint er etwas dagegen zu haben«, sagte Jenny. Die junge Journalistin hielt sich krampfhaft an ihrem Sitz fest und starrte stur geradeaus. Schlenker um Schlenker machte der alte Ford, während Andy ihn durch die New Yorker Straßen trieb. Dem Geräusch des Motors nach zu urteilen, hatte das Auto gerade die Zeit seines Lebens - oder es stand kurz vorm Kollaps.
    »Das würde ich noch nicht mal sagen«, widersprach Gryf. »Der ahnt gar nicht, dass wir ihm folgen. Ich wette, der zieht diese Show nur für den Fall ab. Um potenzielle Verfolger abzuhängen.«
    »Ziemlich viel Aufwand und Aufmerksamkeit für jemanden, der eigentlich unauffällig bleiben will.«
    Gryf zuckte mit den Achseln. »Dickes Auto, dickes Ego.«
    »Himmel, warum sagen Sie das nicht gleich?« Andy Sipowicz wühlte mit der Rechten in seiner Hosentasche, zog ein Handy hervor und warf es Jenny rüber. »Rufen Sie Dolly Clayburn an und geben Sie ihr die Wagennummer durch. Ich will wissen, auf wen die Kiste zugelassen ist. Vielleicht können wir uns diese lebensgefährliche Hektik sparen.«
    Unter Gryfs neugierigen Blicken wählte Jenny die gewünschte Nummer aus dem Speicher des Geräts und erreichte die gute Seele des NYPDs. Dolly ließ sich nicht lange bitten. Für »ihren Andy«, wie sie mehrfach lautstark betonte, mache sie doch ohnehin alles.
    »Und?«, fragte Sipowicz, nachdem die Journalistin aufgelegt hatte.
    »Ruft gleich zurück«, antwortete Jenny. »Außerdem schulden Sie mir ein Hörgerät.« Sie schloss die Augen, als wenige Zentimeter vor ihnen ein Yellow Cab in die Eisen ging. Andy wich ihm mit quietschenden Reifen und einem herzhaften Fluch auf den Lippen aus.
    Keine dreißig

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