Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

Titel: 0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
runzelte wie jemand, der scharf nachdachte. Sie schüttelte auch den Kopf, wollte einen Kommentar abgeben, doch Marion kam ihr wieder zuvor.
    »Es ist niemand im Zimmer, wirklich. Du kannst mit mir reden, Caroline, wie du es schon so oft getan hast. Erzähl mir von früher – bitte…«
    »Haben Sie es gehört, Mr. Sinclair?«
    »Ja!« flüsterte ich.
    Ellen war unruhig. Sie ließ sich nicht aufhalten. »Von früher«, sagte sie. »Von früher soll sie erzählen, da komme ich nicht mit. Das will nicht in meinen Kopf, verflixt! Was soll sie denn alles von früher berichten? Und was meint sie damit?«
    »Das weiß ich auch nicht«, gab ich ehrlich zu. »Sie kennen Ihre Tochter besser.«
    »Nicht so.«
    Marion lachte. Es war ein fröhliches Lachen, als hätte sie eine freudige und positive Nachricht erhalten. Es verstummte so rasch, wie es aufgeklungen war. Die nächste Frage folgte. »Meinst du das ehrlich, Caroline?« Schweigen. Dann wieder Marion. »Nein, ich bin wirklich allein. Ich sehe hier keinen mehr im Zimmer. Meine Mutter ist nebenan. Ich habe sie seit zwei Stunden nicht mehr gesehen. Ich bin extra früh ins Bett gegangen und habe auf dich gewartet. Was meinst du, Caroline, wie ich mich freue, daß du jetzt wieder bei mir bist…«
    Ellens Tochter sprach nicht mehr weiter. Wahrscheinlich hörte sie zu, dann gab sie der anderen Person recht. »Sicher, Caroline, ich werde dir den Gefallen tun. Ich schaue nach.«
    Ellens Kopf ruckte nach links. Sie war plötzlich übernervös geworden. »Was sollen wir denn jetzt tun, Mr. Sinclair? Sie kommt. Sie wird uns sehen.«
    »Das soll sie auch.«
    Ellen trat zurück, als sie ihre Tochter kommen hörte, und auch ich bewegte mich von der Tür weg, die Sekunden später nach innen gezogen wurde.
    Auf der Schwelle stand Marion Bates, schaute uns an, und wir schauten sie an.
    Ich sah sie zum erstenmal, ebenso erging es ihr mit mir, und ihre Mutter sah Marion nicht. Der prüfende Blick ihrer Augen war einzig und allein auf mich gerichtet, als wollte sie mich sezieren.
    Ich wich dem starren Blick der Zwölfjährigen nicht aus. Von Marions Aussehen hatte ich mir keine Vorstellungen gemacht. Ich sah sie zum erstenmal und konnte sie nicht richtig einschätzen. Auf jeden Fall war sie kein Kind oder keine Jugendliche, die man als ausgeflippt einstufen mußte. Sie machte einen eher braven, möglicherweise auch intellektuellen Eindruck, das möglicherweise an der Brille mit dem hellen Gestell lag, die für das schmale Gesicht einfach zu groß war. Das blonde Haar wuchs sehr dicht. Sie hatte es hochgekämmt, dann nach hinten geschaufelt und hinter dem Kopf mit einer pinkfarbenen Schleife zusammengebunden.
    Die Farbe der Schleife wiederholte sich in der des Kleides, denn ein Nachthemd oder einen Schlafanzug trug das Mädchen nicht. Es war noch völlig angezogen.
    Selbst die Einrichtung des Zimmers machte keinen kindlichen, sondern einen erwachsenen Eindruck. Die hellen Sitzmöbel mit den bunt gemusterten Stoffen, der Schreibtisch, der Schrank, das Regal, die Musikanlage in der Ecke, der graue, neutrale Teppichboden und die farblosen Vorhänge vor dem Fenster.
    Als Lichtquelle diente ihr im Moment eine Lampe auf dem Schreibtisch. Sie sah aus wie ein etwas zur Seite geneigter Pilz. Die Lampe unter der Decke blieb dunkel.
    Was mir allerdings auffiel, war der wunderschöne Spiegel an der Wand. In dessen Nähe hielt sich Marion Bates auf, ohne daß sie sich darin betrachtete. Auf mich wirkte er dunkel, obwohl der Rahmen mit Blattgold bedeckt war.
    Marion hatte sich als erste gefangen. Etwas unwillig schüttelte sie den Kopf, um zu zeigen, daß sie über die Störung nicht eben erfreut war. »Was wollt ihr? Warum seid ihr hier?« Sie kam einen kleinen Schritt vor. »Wer ist denn dieser Mann, Mummy?«
    »Ein Bekannter, Kind.«
    »Ach so.« Marion sah aus, als glaubte sie kein Wort. Sie glich ihrer Mutter. Das war Ellen Bates in jung. Im Gesicht wirkte sie trotzdem schon älter, als hätte sie in ihren zwölf Jahren schon einiges erlebt.
    Wir sahen, wie sie Luft holte und erst danach eine Antwort gab.
    »Aber ich kenne diesen Mann nicht.«
    »Das ist auch nicht schlimm. Mr. Sinclair ist gekommen, weil ich ihn darum gebeten habe.«
    »Wie schön. Warum hast du das getan?«
    »Es ging um dich.«
    »Ach ja? Um mich?«
    Ellen nickte. »Ja, um dich, mein Kind, denn ich mache mir große Sorgen.« Sie übertrat die Schwelle und blieb im Zimmer stehen. Ich folgte ihr langsam. »Wir müssen uns Sorgen um

Weitere Kostenlose Bücher