0949 - Die geronnene Zeit
ächzte und krümmte sich.
Was geschah mit ihm?
Eine unerklärliche Schwäche durchströmte ihn, die nicht einmal der Drachenmantel mildern konnte. Es fühlte sich an, als ströme auf einen Schlag jegliches Leben aus seinem Leib, als wäre er, der Blutsauger, selbst Opfer eines Vampirs geworden.
Hektisch sah er zu Assara und Steigner. Die Hüterin stand noch immer regungslos am Ufer und der Dämonenjäger raubte der Quelle weiterhin die Kraft. Keiner von beiden schien aus McCains plötzlicher Kraftlosigkeit Kapital schlagen zu wollen. Oder zu können.
Da fiel sein Blick auf den Teich. Er war nicht mehr vollständig pechschwarz, sondern zeigte verschiedentlich klare Stellen. Wie Fettaugen auf einer Suppe. Das umgekehrte Phänomen wie am Himmel, wo sich zunehmend mehr Löcher bildeten, durch die das Dunkel eindringen konnte.
McCain verstand!
Vor sich sah er ein Zeichen, dass der Quelle die Substanz ausging. Deshalb holte es sich die Kraft zurück, die sie den Unsterblichen geliehen hatte. Die führte dazu, dass es das Dunkel an vereinzelten Stellen zurückdrängte, aber das konnte nur ein vorübergehender Effekt sein.
Zum ersten Mal seit langer Zeit war McCain dankbar, einst den Vampirkeim empfangen zu haben. Hätte er dadurch nicht eine andere Art der Unsterblichkeit erlangt, würde er nun in dem Maß dem Tod entgegenrasen, wie die Magie der Quelle aus ihm herausströmte.
Er grinste. Bald war es geschafft. Wenn die Quelle auch diese Reserven aufgezehrt hatte, gab es keine Rettung mehr für sie.
Ein Gefühl der Unsicherheit beschlich ihn. Er erhielt… Besuch? Hastig sah er sich um, aber da war niemand zu sehen. Nur die Hüterin und Steigner.
Aber wie…?
Steigners Familie! Seine Verbindung zur realen Welt. Von ihr musste das Signal gekommen sein.
Die Quelle zerrte weiter an ihm, saugte ihm die Unsterblichkeit aus dem Leib. So fiel es ihm schwer, sich ausreichend zu konzentrieren. Doch im dritten Anlauf schaffte er es. Er sah durch Renate Steigners Augen.
Und was er sah, gefiel ihm gar nicht. Duuna, seine Konkurrentin aus alten Tagen, der Erbfolger und dieser dämliche Schotte erreichten den Llewellyn-Friedhof. Und ihnen voran natürlich Zamorra, der Dämonenjäger. Der Meister des Übersinnlichen in seinem weißen Anzug, den er trug wie eine Rüstung, war gekommen, um die Quelle zu retten.
»Verdammt! Sie haben den Ruf auch empfangen.«
Natürlich hatten sie das. Damit war zu rechnen gewesen.
McCain starrte zu Steigner, der weiterhin stur seine Aufgabe erfüllte. Eines seiner Augen hatte sich inzwischen zu einem schwarzen, wuchernden Geflecht verwandelt.
Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Quelle ihren Widerstand einstellte.
Aber noch kämpfte sie gegen das Dunkel an. Noch zehrte sie von der Kraft der Unsterblichen.
»Sie dürfen mich nicht aufhalten! Nicht jetzt, so kurz vor dem Ziel. Haltet sie auf! Sie dürfen die Quelle nicht erreichen. Noch nicht.« Für einen Augenblick hielt er inne. Brachte er die Energie auf, über die Dimensionsgrenzen hinweg die Pflanzen zu beeinflussen? Es würde schwer werden, aber dank des Drachenmantels könnte er es zumindest für kurze Zeit schaffen. Außerdem hielten sich noch fünf seiner Vampire beim Friedhof auf. »Ich schicke euch so viel Unterstützung, wie ich kann. Macht mit ihnen, was ihr wollt, aber hindert sie wenigstens für ein paar Minuten, zu mir zu kommen. Danach ist es ohnehin gleichgültig.«
Konnte er Steigner helfen, die Quelle zu entkräften? Sollte er womöglich selbst davon trinken?
Bei Steigners Anblick schreckte er jedoch davor zurück.
Er konnte die Verzweiflung der Sha'ktanar förmlich spüren. Und er hörte sie wispern: »Die Kraft der Unsterblichen geht zu Ende.« - »Wir brauchen mehr!« - »Was ist mit dieser Frau, die unrechtmäßig vom Wasser erhalten hat? Zamorras Gefährtin?« - »Von ihr können wir die Magie nicht abziehen.« - »Aber wir benötigen sie.« - »Dringend!« - »Wir erreichen sie nicht. Sie ist unserem Zugriff entzogen.« - »Das darf nicht sein! Wir sterben!«
McCain triumphierte, auch wenn er sich körperlich ausgelaugt fühlte.
Und dann hatte ihn die Unsterblichkeit der Quelle vollständig verlassen. Und mit ihm seine Kraft. Er spürte, wie die Verbindung zu den Wurzeln und Vampiren riss, die er als Verstärkung für Steigners Familie geschickt hatte. Er stieß einen wütenden Schrei aus, doch sein Zorn verflog sofort wieder.
»Egal. Es ist ohnehin zu spät, das Ende zu verhindern.«
Die Quelle
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