0949 - Die geronnene Zeit
wusste er, was er zu tun hatte, um die Quelle zu vernichten: Er musste die Kraft der Sha'ktanar schwächen. Er hatte damit gerechnet, Unmengen des Wassers trinken zu müssen. Doch das war, bevor er Steigner in seine Gewalt gebracht hatte - und bevor er durch den Drachenmantel eine enorme Steigerung seiner magischen Energie erfahren hatte. Nicht nur die Llewellyn-Magie hatte einen außerordentlichen Schub erfahren, auch das Dunkel, das in ihm lauerte.
Vor dem Teich ging er in die Knie.
Das riss die Hüterin aus ihren Gedanken. »Du darfst nicht von der Quelle trinken! Du bist kein Auserwählter. Du bist bereits ein Unsterblicher.« Wieder geriet sie ins Stocken. Verwirrten sie ihre eigenen Worte? »Ein Unsterblicher mit der Erbfolger-Magie? Wie ist das möglich?« Nach einer kurzen Pause: »Kenne ich dich? Du musst bereits an der Quelle gewesen sein, um vom Lebenswasser zu trinken. Warum kann ich mich dann nicht an dich erinnern?« Neuerlich unterbrach sie sich, als frage sie sich, ob sie sich tatsächlich nicht erinnern konnte.
»Ich werde nicht trinken, Assara. Im Gegenteil.«
Er beugte sich nach vorne und näherte sich mit dem Mund der Wasserfläche.
Wieder riss die Hüterin das Schwert hoch. »Ich warne dich, Atrigor! Es verstößt gegen das Gesetz, wenn…« Da wurde ihr offenbar erst bewusst, mit welchem Namen sie den Eindringling angesprochen hatte.
McCain öffnete den Mund. Oder war er Atrigor? Nein, nachdem er lange Zeit den Vampirnamen benutzt hatte, dachte er von sich selbst nicht mehr als Atrigor. Dieser Name war eine lange verschüttete und erst kürzlich ausgegrabene Erinnerung. Wie eine vermisste und endlich wiedergefundene Hose schien er nicht mehr richtig zu passen.
Matlock McCain öffnete also den Mund und würgte eine ölige Flüssigkeit hervor, die sich mit dem Wasser der Quelle verband.
»Was tust du da?«, rief die Hüterin.
Wie ein Aal wand sich die Schwärze auf Assara zu. Die erahnte die Gefahr. Mit drei hastigen Schritten verließ die den Teich, bevor die lebendige Flüssigkeit sie erreichen konnte.
»Hör sofort damit auf«, schrie sie McCain an, doch der dachte gar nicht daran. Er hobenen Schwertes rannte sie auf ihn zu. Da zeigte sich auf ihrer Schulter plötzlich eine schwarze Strieme. Dort, wo sie zu Anbeginn der Quelle das Dunkel gestreift hatte. Wie eine längst vergessen geglaubte Narbe blühte sie plötzlich wieder auf.
McCain wusste, was geschah. Die manifestierte böse Seele des Erbfolgers hatte die Hüterin damals berührt, aber nicht intensiv genug, um sie sich gefügig zu machen. Doch das durch den Drachenmantel potenzierte Dunkel in McCain verstärkte alleine durch seine Anwesenheit die Wirkung der Berührung.
Die Hüterin blieb stehen und ließ das Schwert sinken. Wie ausgeschaltet stand sie da und beobachtete willenlos das weitere Geschehen.
In dem bislang schon nicht gerade klaren Tümpel breiteten sich die schwarzen Schwaden immer weiter aus, als hätte jemand Tinte hineingegossen.
McCain würgte immer mehr des Dunkels in den Teich. So lange, bis dieser schließlich pechschwarz war. Dann keuchte er nur noch. Auf seiner Stirn stand der Schweiß.
»Komm zu mir«, befahl er Steigner.
Dieser setzte sich sofort in Bewegung und kniete neben McCain nieder.
»Und nun trink, Auserwählter. Empfange die Unsterblichkeit.«
Er packte den Dämonenjäger im Nacken und drückte ihn mit dem Kopf unter Wasser. Im ersten Augenblick ließ Steigner das mit sich geschehen, doch als ihm die Luft knapp wurde, nahm der Lebenswille überhand. Er schlug um sich, die Beine zuckten, er stemmte sich gegen McCains Griff.
Doch der Druidenvampir war stärker.
Als die Bewegungen des Dämonenjägers erlahmten, zerrte McCain ihn am Kragen wieder aus dem Teich. Sein Haar schleuderte in einem perfekten Bogen Wassertropfen in die Höhe. Sofort schnappte Steigner nach Luft, keuchte und japste. Schließlich schloss sich auch noch ein Husten an. Nachdem er zur Ruhe gekommen war, sah er seinen Peiniger aus schreckgeweiteten Augen an.
»Warum tun Sie…«
Weiter kam er nicht. Seine Miene verzog sich zu einer Grimasse des Schmerzes. In Magenhöhe presste er die Hände auf den Bauch und stieß einen grauenvollen Schrei aus. Dann legte er den Kopf in den Nacken und öffnete den Mund.
Als schwele in ihm ein Feuer, schoss eine Rauchsäule aus seinem Rachen und jagte gen Himmel. Das Dunkel! Es stanzte Löcher in die grauen Wolken, durch die weitere Schwärze nachdrängte. Aber noch war die Kraft der
Weitere Kostenlose Bücher