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0949 - Die geronnene Zeit

0949 - Die geronnene Zeit

Titel: 0949 - Die geronnene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Fröhlich
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Quelle zu groß.
    Also musste Steigner noch einmal trinken!
    McCain wartete, bis der Dämonenjäger alles ausgewürgt hatte. Schwarze Speichelfäden rannen ihm über das Kinn und hinterließen rote Striemen wie die Nesselfäden von Quallen. Er hatte vom Wasser des Lebens getrunken und die Unsterblichkeit erlangt. Doch zugleich hatte er das Gift des Dunkels in sich aufgenommen.
    Seine Brustkorb hob und senkte sich ohne Unterlass. Die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    »Nächste Runde!«
    Der Druidenvampir drückte neuerlich Steigners Kopf unter Wasser. Diesmal fiel der Widerstand schon geringer aus.
    Steigner schluckte und entzog der Quelle Kraft. Für McCain fühlte es sich an, als mache Steigner dies im Gegensatz zum ersten Mal freiwillig. Nun ja, vielleicht nicht gerade freiwillig, sondern unter Einfluss des Dunkels. Für McCain blieb das Ergebnis gleich: Er konnte den Dämonenjäger loslassen. Dieser würde nun auch ohne Führung die Aufgabe vollenden.
    Und so geschah es. Der neue Diener des Dunkels würgte eine weitere Rauchsäule zum Himmel.
    Das Schauspiel wiederholte sich. Einmal. Zweimal. Wieder und wieder und wieder.
    Mit jedem Mal veränderte sich Jo Steigner. Sein Gesicht wurde aufgedunsen, Adern platzten und hinterließen feine schwarze Netze auf der Haut. Die Augen rutschten tiefer in die Höhlen. Auch sein Leib quoll auf. Lag es an all dem Wasser, dass er trank? Seine Kleidung riss auf und wachsgelbe Haut drängte hervor.
    Dennoch machte er immer weiter.
    Die Quelle des Lebens schien in den letzten Jahrtausenden an Kraft dazugewonnen zu haben. Mit einem zweiten Mal trinken war es nicht mehr getan. Doch egal! Wie viele Schlucke es auch kosten mochte, Steigner nahm es auf sich. Und wenn er dabei platzte!
    McCain war froh, dass ihm diese Tortur erspart blieb.
    Er stockte, als ihm bewusst wurde, was dieser Gedanke zu bedeuten hatte: Das Dunkel hatte ihn verlassen. Die Wirkung, die es jahrtausendelang auf ihn gehabt hatte, nahm langsam ab. Die Bereitschaft, für die Erfüllung seines Auftrags bis zur Aufgabe der eigenen Existenz zu gehen, war dahin.
    Für einen Augenblick fragte er sich, warum er den Ort überhaupt vernichten wollte, den zu erschaffen er mit dem Kampf gegen den Erbfolger geholfen hatte. So schnell, wie er aufgeflammt war, erlosch der Gedanke wieder.
    Er widmete seine Aufmerksamkeit neuerlich Jo Steigner, der weiterhin von der Quelle trank und das mit dem Wasser aufgenommene Dunkel zum Himmel erbrach. Die Hüterin stand blicklos am Ufer und ließ ihn gewähren.
    Es war vollbracht. Niemand würde sie mehr aufhalten. Niemand außer…
    ... der Quelle selbst!
    Ein gellender Schrei erklang. »Ich brauche… Hilfe!«
    Sekundenlang war McCain irritiert. Der Schrei stammte von einer Männerstimme. Selbst der immer unförmigere Dämonenjäger hielt in seinem Tun inne.
    »Nicht aufhören, Steigner. Trink weiter«, befahl der Druidenvampir. Steigner gehorchte.
    Da wurde McCain klar, was geschehen war. Die Quelle wehrte sich gegen die Vergewaltigung und das Ausbluten. Weil sie selbst nichts dagegen tun konnte, rief sie um Hilfe und zwar mit der Stimme eines Priesters der Sha'ktanar, deren Seelen die Quelle bildeten.
    Doch warum empfing ausgerechnet er den Ruf? Er, der für die Bedrohung des Lebenswassers verantwortlich war?
    Weil er ein Unsterblicher war. Weil sich die lichten Streiter an diejenigen wandten, die über die Magie der Sha'ktanar mit ihnen verbunden waren.
    Bilder schossen ihm in den Sinn. Geräusche, Gerüche, Gefühle. Er sah sich in der Gestalt mehrerer Priester und erlebte durch ihre Augen die Reinigung der Erbfolge mit. Er beobachtete sich selbst - Atrigor! - im Kampf gegen die Dämonen.
    Die Quelle sandte dieses Wissen, um den Unsterblichen zu zeigen, wie sie sie retten konnten. Mit den Seelenkristallen, den Horten der Sha'ktanar.
    McCain spürte aber noch mehr. Der Ruf reichte nicht nur hinaus in die Welt, sondern auch hinaus in die Zeit! Wie eine Welle in einem Teich, in den man einen Stein geworfen hatte, breitete er sich in der Zeit der realen Welt aus.
    Aber wie weit? Erreichte er auch Unsterbliche, die in der Gegenwart außerhalb der Quelle längst nicht mehr lebten? Oder drang er lediglich Tage oder gar nur Stunden in die Vergangenheit? Hatte sich die Rettung schon auf den Weg gemacht, noch bevor es überhaupt einen Grund dafür gab?
    Der Schlag einer gigantischen unsichtbaren Faust traf McCain in den Bauch und presste ihm Luft und Energie aus dem Körper. Er

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