095 - Der leuchtende Schlüssel
erreichen konnte. Schließlich brachte er es fertig, den Knoten zu öffnen. Aber im gleichen Augenblick hörte er, daß Binny zurückkam.
Der Mann fand die ungewohnte Tätigkeit doch schwerer, als er erwartet hatte. Seine Stirn war in Schweiß gebadet. Er suchte in dem Koffer, fand eine Flasche Whisky, entkorkte sie und nahm einen langen Zug.
»Müssen Sie sich Mut antrinken, oder brauchen Sie neue Kräfte?« fragte Surefoot.
»Das werden Sie schon noch sehen«, brummte Binny.
Smith blickte sehnsüchtig auf die zwei Pistolen, die aus Binnys Taschen herausschauten. Der Verbrecher war schon wieder halb zur Tür gegangen, kehrte aber noch einmal um und prüfte den Knoten des Seidentuches.
»Aha, den haben Sie schon aufgemacht! Nun, das Handwerk will ich Ihnen legen!«
Er durchsuchte den Koffer aufs neue, schlang dann einen Strick zwischen den Handschellen durch, zog die Arme des Gefangenen hoch und befestigte den Strick um seinen Nacken.
»Sie sehen merkwürdig aus - fast, als ob Sie beteten. Aber ich werde Sie jetzt nicht mehr lange warten lassen.«
Mit diesen Worten verließ er den Raum.
Surefoot war völlig hilflos, obwohl er die Autohupen von der nahen Chaussee hören konnte.
Er beobachtete die rauchende Petroleumlampe. Der Docht war zu hoch geschraubt, und der Zylinder hatte sich auf der einen Seite schon schwarz gefärbt.
Binny war vor allem darauf bedacht, zu entkommen. Er würde sich hüten, irgendwelche Spuren zu hinterlassen. Selbst den Mord würde er nicht im Hause begehen.
Eine volle Stunde verging. Dann hörte Smith schwere Schritte und wußte, daß das Ende nahe war.
29
Man hatte die Abwesenheit Surefoots in Scotland Yard wohl bemerkt. Es war aufgefallen, daß er nicht verabredungsgemäß in seinem Büro erschienen war, um die Meldungen entgegenzunehmen. Da es sich allerdings nur um negative Berichte handelte, hätte man sich mit seinem Ausbleiben schließlich abgefunden. Aber zufällig meldete ein junger Polizist, daß er ein blaues Luxusauto gesehen habe, das von einer Dame gesteuert wurde. Als er ihr an der Ecke der Westminsterbrücke und des Themseufers das Haltesignal gab, achtete sie nicht darauf, obwohl sie auf der falschen Seite der Straße fuhr. Er hatte die Nummer notiert.
Gewöhnlich werden solche kleinen Vergehen erst am nächsten Morgen erledigt, aber während der Meldung erschien ein Mitglied des Parlaments und zeigte an, daß ihm sein blauer Wagen gestohlen worden sei.
»Es war ein Mann, der sich als Frau verkleidet hatte«, schloß er seinen Bericht.
»Wie kommen Sie darauf?« fragte der Polizeiinspektor.
»Als er in den Wagen stieg, stieß er mit dem Kopf an den oberen Teil der Tür. Dadurch wurden sein Hut und seine Perücke zurückgeschoben, und ich sah, daß es ein Mann mit kahlem Kopf und gelbbraunem Gesicht war. Zuerst dachte ich, er würde an Gelbsucht leiden.«
Der Inspektor richtete sich plötzlich wie elektrisiert auf. Die Polizei von ganz England suchte nach einem Mann mit kahlem Kopf und gelbbraunem Gesicht. Kurz darauf waren Telegraf und Telefon tätig.
Einige Zeit später kam wieder eine Meldung von einem Verkehrsschutzmann. In der Nähe von Heston, wo eine Straßenbahn die Hauptstraße kreuzt, hatte der blaue Wagen einen Aufenthalt gehabt. Nur mit Mühe und Not entging er einem Zusammenstoß und mußte so scharf bremsen, daß der Wagen schleuderte. Der Polizist ging auf das Auto zu, um sich den Führerschein zeigen zu lassen. Dabei sah er eine Frau am Steuer. Aber noch bevor er eine Frage stellen konnte, fuhr der Wagen wieder davon.
Erst anderthalb Stunden, nachdem die Beschreibung des blauen Autos an alle Stationen durchgegeben war, kam dieser Bericht. Inzwischen hatte man auch Chefinspektor Smith gesucht, da verschiedene Nachrichten auf ihn warteten. Man hatte ihn aber nirgends im Amt finden können.
Seine Gewohnheit, ab und zu am Themseufer einen kleinen Spaziergang zu machen, war allgemein bekannt, und der Polizeiposten dort hatte auch gesehen, daß Smith zum Savoy Hill gegangen war. Einer seiner Kollegen hatte beobachtet, daß der Chefinspektor dort umkehrte. Jemand erinnerte sich daran, daß er ein blaues Luxusauto an der Straße hatte stehen sehen.
Als die Ermittlungen so weit gediehen waren, hatte der Präsident selbst die Sache in die Hand genommen. Alle Detektive waren im Amt zur Beratung versammelt.
»Möglich, daß Binny an die Küste geflohen ist«, sagte er. »Vielleicht hat er aber auch eins seiner beiden Landhäuser aufgesucht. Die
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