0950 - Ein Gruß aus der Hölle
vertraute ihrer Halbschwester. Sie spürte den leichten Zug an ihrer Hand und hatte auch gemerkt, daß Caroline schon gegangen war. Sie blieb ebenfalls nicht länger stehen und folgte ihr, wobei ein Satz nicht aus ihrem Kopf wollte.
Meine Mutter ist tot! Meine Mutter ist tot…
***
Ich wußte nicht, ob ich mich darüber freuen sollte, daß der Satanist einen so lockeren Eindruck auf uns machte. Wahrscheinlich war es nicht gut, sich darüber zu freuen, daß es keine großen Schwierigkeiten gab, denn bei derartigen Dingen kam das dicke Ende zumeist nach.
Wir hatten von ihm einiges erfahren, aber das große Rätsel um den Spiegel war noch geblieben. Ich ärgerte mich immer stärker darüber, daß er sich nicht mehr in meinem Besitz befand. Wahrscheinlich schaffte es auch Bates nicht mehr, ihn zu kontrollieren. Er mußte sich auf irgendeine Art und Weise selbständig gemacht haben, sonst wäre die tote Caroline nicht erschienen, um ihre Halbschwester zu retten.
Laut Bates' Aussage hatte er seine Tochter dem Teufel geopfert. Allein die Tatsache hätte mich durchdrehen lassen können, aber so ganz traf das wohl nicht zu. Bei dieser Tat mußte einfach etwas schiefgegangen sein, denn Caroline war zurückgekehrt. Sie hatte den Weg ins Jenseits nicht geschafft, sondern war in einer anderen Dimension steckengeblieben, wenn ich es vorsichtig formulierte.
Genau dort lag das Problem, und ich war mir sicher, daß auch Tillman Bates damit nicht zurechtkam. Er schien zu ahnen, was mich beschäftigte, denn er sprach mich an. »Worüber denken Sie nach, Sinclair? Zumindest sehen Sie so aus, als würden Sie es tun.«
»Stimmt. Eigentlich denke ich über Sie nach, Bates.«
»Über mich? Das brauchen Sie nicht. Mir geht es gut.«
»Davon wollen wir nicht reden. Man sieht es Ihnen an. Aber Sie haben trotzdem Probleme. So wie Sie es sich vorgestellt haben, hat sich Ihr Plan nicht erfüllt. Es liegt sogar ein dickes Haar in der Suppe, und das heißt Caroline. Ich kann mir vorstellen, daß Sie mit Ihrer ersten Tochter nicht so zurechtgekommen sind, wie Sie es sich gedacht haben. Hier der sogenannte Opferplatz, dann ihr Grab auf dem Friedhof, und trotzdem existiert sie noch, wie ich mit meinen eigenen Augen gesehen habe. Das kann Ihnen nicht schmecken.«
»Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf, Sinclair. Ich kriege schon alles in die Reihe.«
»Eine gute Antwort, die mich gleichzeitig auch bestätigt und mir sagt, daß Sie bisher nicht alles in die Reihe bekommen haben. Etwas muß schiefgegangen sein. Sie haben Fehler gemacht und versuchten, diese Fehler mit Gewalt zu revidieren. Der Spiegel hat Ihnen nicht so gehorcht, wie Sie es sich vorstellten. Es ist aus der Bahn geraten. Er führt ein Eigenleben, und er hat es geschafft, Ihre Tochter für sich einzunehmen, was Sie doch gern getan hätten, um den Satan günstig zu stimmen. Ich glaube, daß Sie vor einem Berg von Problemen stehen.«
Ich hatte bewußt so scharf formuliert, um den Mann aus der Reserve zu locken, aber er blieb gelassen. Für ihn war das alles kein Thema. »Sie irren sich, Sinclair.«
»Wetten, nicht?«
Bates schwieg. Er hielt den Kopf gesenkt und seine verletzte Hand in der Jackentasche vergraben.
Wir hatten das Haus mittlerweile umrundet und befanden uns schon an der Vorderseite, aber noch nicht direkt am Eingang. Dorthin führte der schmale Pfad, den wir schon einmal gegangen waren.
Natürlich schauten Suko und ich nach, ob sich einiges verändert hatte. Nur die Sonne war weitergewandert und auch tiefer gesunken, wobei sie anfing, sich zu verfärben und ihre Strahlen allmählich waagerecht auf die Erde schickte.
Dennoch reichte die Sicht aus, um keine Beunruhigung in uns hochkommen zu lassen. Es hatte sich nichts verändert. Noch immer stand unser Wagen als einziges Fahrzeug vor dem Haus, und die vom Reif und Eis überzogenen Bäume glitzerten im Sonnenlicht.
Tillman Bates schritt vor uns die kleine Treppe hoch. Bevor er die Tür aufschloß, drehte er sich um und wollte wissen, was wir mit ihm vorhatten.
»Wir werden Sie nicht zum Yard bringen«, erklärte ich ihm, »denn wir wissen, daß dies keinen Sinn hat. Um den Fall restlos aufzuklären, werden wir hier in Ihrem Haus bleiben und zunächst einmal alles auf uns zukommen lassen.«
»Mir soll es recht sein.« Er grinste scharf. »Glauben Sie denn, daß jemand den Spiegel bringt. Um den geht es euch doch, nicht wahr?«
»Überraschungen gibt es immer.«
»Das ist wahr«, erklärte er und
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