0950 - Ein Gruß aus der Hölle
vielleicht entsetzt sein müssen. Weder das eine noch das andere trat bei ihm ein. Statt dessen nahm er einen Kugelschreiber zwischen die Finger und drehte ihn so, daß die Spitze auf uns wies. »Ermordet, sagen Sie?«
»Erschossen!« präzisierte ich. »Die Kugel traf Ihre ehemalige Frau in die Stirn. Es sieht für einen unbeteiligten Menschen aus wie eine Hinrichtung.«
Bates ließ eine Weile vergehen, bevor er einen nichtssagenden Kommentar abgab. »Nun ja, da kann man wohl nichts machen.« Er legte den Kugelschreiber wieder auf die Platte zurück und streckte dafür den linken Zeigefinger hoch. »Aber warum sind Sie trotzdem zu mir gekommen? Ich nehme an, daß sie den Mörder suchen. Könnte es sein, daß Sie mich in Verdacht haben?«
»Nein, das nicht.«
»Danke, Mr. Sinclair.«
»Ich weiß, daß Sie nicht der Mörder sind, aber Sie sind für uns trotzdem interessant.«
»Sorry, das begreife ich nicht. Kämen Sie vom Jugendamt, um mir zu erklären, daß sich jemand um meine Tochter kümmern soll, dann hätte ich Ihren Besuch verstanden, so aber begreife ich ihn nicht.«
»Um Ihre Tochter geht es ebenfalls«, sagte Suko.
»Wie schön. Wo ist sie?«
»Das wissen wir nicht.«
Er lächelte kalt. »Dann hat sie ihre Mutter verlassen? Kein Wunder, ich habe es auch nicht bei ihr ausgehalten.«
Die Kälte dieses Mannes erschütterte mich. Vor uns saß ein lebender Eisberg, auch wenn er aussah wie ein Mensch aus Fleisch und Blut. Ich mußte mich zusammenreißen, um die nächsten Worte möglichst neutral klingen zu lassen.
»So wie Sie es möglicherweise sehen, ist es nicht. Ihre Tochter ist auf mysteriöse Weise verschwunden.«
»Jetzt machen Sie mich sogar neugierig.«
»Das soll auch so sein. Sie werden sich noch mehr wundern, denn ich frage Sie, ob Sie Ihrer Tochter Marion den ovalen Spiegel geschenkt haben.«
Der Privatgelehrte regte sich nicht auf. Er sprang nicht in die Höhe, er lief auch nicht rot an. Ziemlich locker blieb er, als hätte ich gar nichts gesagt. »Sie scheinen sehr gut informiert zu sein«, meinte er nach einem Augenblick.
»Stimmt, Mr. Bates. Leider nicht gut genug. Aber ich habe Ihre Frau und Ihre Tochter auch lebend kennengelernt.«
»Moment mal. Sie nennen Marion in einem Atemzug mit Ellen. Wollen Sie damit sagen, daß auch meine Tochter nicht mehr am Leben ist?«
»Nein, das habe ich nicht gemeint.«
»Lebt sie denn?« fragte er lauernd.
»Wir haben sie nicht tot gesehen«, erwiderte Suko. »Nur hat mein Kollege über den Spiegel gesprochen, den Sie Ihrer Tochter geschenkt haben. Uns würde interessieren, woher Sie ihn haben, denn er sieht außergewöhnlich aus. Nicht nur seine ovale Form und der Blattgoldrahmen mit den Dämonenfratzen an der Seite, noch interessanter ist seine Fläche, die nicht sehr viel mit den üblichen Spiegelflächen gemein hat, haben wir empfunden. Sie ist dunkler und…«
»Reden Sie nicht!« fuhr der Mann Suko in die Parade. »Was haben Sie mit dem Spiegel zu tun?«
»Noch einmal«, sagte ich, »wir hätten gern gewußt, woher Sie ihn haben, Mr. Bates.«
»Ach!« flüsterte er, »das hätten Sie gern gewußt. Kann ich mir sogar denken. Nur bin ich nicht verpflichtet, Ihnen zu sagen, wo ich den Spiegel erworben habe. Es sei denn, Sie wollen mich verhören, weil ich doch unter Mordverdacht stehe.«
»Nicht deswegen«, gab ich zu. »Obwohl wir persönlich davon überzeugt sind, daß Sie indirekt mit dem Tod Ihrer Frau zu tun haben.«
»Wir sind geschieden!« Er schlug zweimal mit der flachen Hand auf den Schreibtisch. »Wie oft soll ich Ihnen das noch sagen, verdammt!«
»Regen Sie sich nicht auf«, sagte Suko. »Ist alles okay. Nur noch eins: Sie haben ihre Frau gemocht, wie wir hörten. Sie hatten sie geheiratet, obwohl sie sich damals in Hexenkreisen bewegt hat? Alle Achtung.« Spöttisch sprach Suko weiter. »Aber eine Hexe und ein Satanist passen schließlich zusammen, denken wir uns. Sie ergänzen sich sogar.«
Tillman Bates hatten Sukos Worte voll getroffen. Er verlor seine Ruhe und starrte uns aus großen Augen an. »Verdammt noch mal, was soll das werden, wenn es fertig ist?«
»Es ist schon fertig«, erklärte Suko. »Sie haben eben gehört, daß wir Bescheid wissen.«
»Dann haben Sie hinter mir hergeschnüffelt?«
»Nein, gar nicht. Das herauszufinden, war leicht. Und auch Einzelheiten über Ihre Karriere, die Sie in einem Kloster begonnen haben. Nur hat Sie der Orden nicht mehr gewollt. Die genauen Gründe kennen wir nicht,
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