0952 - Dr. Sensenmann
gegen korpulente Menschen, dieser aber machte auf mich einen widerlichen Eindruck. Er war ungepflegt.
Nach dem Frühstück ging ich wieder auf mein Zimmer, klappte dort den Koffer zu und stiefelte nach unten, um die Rechnung zu bezahlen.
»Hat es Ihnen gefallen?« fragte der Dicke.
»Nein.«
»Was?«
»Ich hatte in der Nacht einfach zuviel Unterhaltung, die ich nicht wollte.«
»Die Autos, wie?«
»Nicht nur das.«
Er blieb bei dem Thema. »Wir kämpfen für eine Umgehungsstraße, aber Sie wissen ja, wie das ist. Der Staat hat kein Geld, wir sind uns nicht einig, keiner will auf die Blechkiste verzichten…«
»Schon gut.«
»Wie wollen Sie denn zahlen?«
»Bar.«
»Sehr schön.«
Ich erhielt die Rechnung, beglich sie und war froh, die Bude verlassen zu können. Draußen holte ich erst einmal tief Luft und freute mich über diesen klaren Wintermorgen, in den ich hineingetreten war wie in eine gemalte Kulisse.
Winterliche Stimmungen. Eine Welt aus Frost, die von einem klaren Himmel bedeckt wurde, der eine phantastische Bläue zeigte. Auch die Sonne schien. Sie hatte den Nebel der letzten Tage wunderbar wegdampfen können.
Der Rover stand auf einem Platz neben dem Hotel. Ich wußte nicht genau, um welche Zeit Mickey Ferrano den Knast verlassen würde, aber viel später als zehn Uhr konnte es nicht werden. Wir hatten jetzt neun, und ich brauchte keine Stunde bis zu meinem Ziel.
Das Eis auf dem Rover war an einigen Stellen schon dünner geworden.
An anderen war es bereits ganz weggetaut, und so brauchte ich nicht zu kratzen.
Ich stieg ein, startete, wendete und fuhr in Richtung Osten. Für die Strecke würde ich nicht mehr als zwanzig Minuten brauchen, und so rollte ich gemütlich dahin.
Gegen halb zehn sah ich das Zuchthaus. Einen Komplex, in dem es sicherlich keinen Spaß machte, die Jahre zu verbringen. Hohe Mauern, eine elektronische Überwachung, ein stumpfes Grau und eine Reihe von vergitterten Zellenfenstern.
Und natürlich das große Tor aus Eisen. Ein Zugang der Angst und der Hoffnung.
Ich rollte langsam am Eingangsbereich vorbei. Einige Autos standen vor dem Tor in der Kälte, aber Menschen bekam ich nicht zu Gesicht. Ich hatte allerdings eine Bushaltestelle gesehen, deshalb fuhr ich ein kurzes Stück zurück. An der Haltestelle stoppte ich nicht, das wäre zu auffällig gewesen, hielt aber Ausschau nach einer etwas günstigeren Stelle und fand eine kleine Bucht nicht weit von der Haltestelle entfernt. Sie selbst konnte ich im Rückspiegel im Auge behalten.
Jetzt begann die Warterei.
Um mir die Zeit zu verkürzen, schaute ich mir noch einmal das Bild des Mannes an, den ich überwachen und kontaktieren sollte. Das Foto zog ich aus der Innentasche hervor, betrachtete es eine Weile und mußte zugeben, daß dieser Mickey Ferrano jemand war, mit dem ich nicht gern einen Streit anfangen wollte.
Wie sah er aus?
Man soll Menschen nicht nach dem Äußeren beurteilen. Wer das tat, hatte schon die größten Irrtümer erlebt. Dieser Ferrano wirkte aber bereits vom Gesicht her gewalttätig. Oder sah es einfach nur hart aus?
Seine Züge wirkten doch etwas verschwommen oder aufgedunsen, wie bei einem Menschen, dem man das gute Leben ansieht. Ich schaute gegen einen weichen Mund, zu dem das eckige Kinn nicht so recht passen wollte. Auch die Wangen hatten ihre jugendliche Straffheit verloren. Sie hingen an seinem Gesicht herab. Die Nase war normal, vielleicht etwas dick. Dunkle Augen, normale Brauen, eine hohe Stirn und dunkle Haare, die nicht glatt, sondern in Locken den Kopf umwuchsen und sogar bis in den Nacken reichten.
Das also war Mickey Ferrano.
Ferrano, der Killer, der Mann, der einen Arzt getötet hatte und sich nun von dessen Geist verfolgt fühlte. Wenn es stimmte und er sich nichts eingebildet hatte, dann mußte es einen Grund dafür geben.
Aus den Informationen meines Chefs war ich nicht ganz schlau geworden. Sie waren mir ehrlich gesagt zu vage gewesen, nicht mehr als Andeutungen, auch was den Geheimdienst betraf, für den Ferrano möglicherweise gearbeitet hatte.
Möglicherweise, denn nichts war bewiesen. Alles konnte stimmen, mußte aber nicht.
Ich würde mich überraschen lassen, und ich hoffte, daß ich mit Ferrano klarkam und er auch kein Mißtrauen mir gegenüber schöpfte.
Ich blickte auf die Uhr.
Schon nach zehn.
Gesehen hatte ich ihn noch nicht. Wenn er um elf nicht sichtbar geworden war, würde ich zum Zuchthaus zurückfahren und an der Pforte mal vorsichtig
Weitere Kostenlose Bücher